Angeblich ist der Datenschutz schuld. Angehörige von Patienten/-innen der Mainzer Universitätsmedizin erhalten seit vergangener Woche keine Auskunft mehr.

Eine eigenartige Situation. Die Angehörigen einer hochbetagten Frau warten vor der Notaufnahme der Mainzer Uniklinik darauf, dass ihre Mutter eingeliefert wird. In der Uniklinik sollten akute Unregelmäßigkeiten des Herz-Kreislauf-Systems sowie Schmerzattacken abgeklärt werden. „Bitte helft mir“, lautete die konkrete Aufforderung der alten Dame, bevor sie in die Uniklinik transportiert wurde. Helfen bezog sich auf die Klärung der Formalitäten: seitenlange Aufklärungsbögen, auf denen sie ihr Einverständnis für diagnostische wie therapeutische Maßnahmen erklärt, sind für die alte Dame schwer nachvollziehbar. Außerdem hatte sie Angst, mit ihren Schmerzen allein gelassen zu werden. Die Angehörigen organisierten ihren Berufsalltag so, dass eine Begleitung der Mutter ab der Notaufnahme sichergestellt wurde.
Vor der Tür der Notaufnahme erlebten die Angehörigen einen Schock: „Wir dürfen Ihnen aus Datenschutzgründen nicht sagen, ob ihre Mutter hier ist.“ Die Ansage über die Sprechanlage wurde mehrfach wiederholt. Zwischenzeitlich aber hatten die Angehörigen durch die Glasscheibe beobachten können, dass die 93-Jährige eingeliefert worden war.

Patientin drinnen, Angehörige draußen

Was drinnen geschah, war nicht aus zu machen. Warum sie aus Datenschutzgründen nicht zu ihrer Mutter gelangen konnten, war den Angehörigen nicht verständlich. Ständig klingelten Menschen an der Notaufnahme, nannten einen Namen und die Tür öffnete sich. Warum bleib diese Tür ausgerechnet für sie verschlossen?
Als einem Team von Rettungsassistenten die Tür geöffnet wurde, huschten die Angehörigen hinterher und waren drin – es folgte ein lautstarkes Wortgefecht mit den Pflegekräften, die sich auf die Datenschutzregelung beriefen: Sie dürften aus Datenschutzgründen niemandem mehr Auskunft geben, der oder die nicht zweifelsfrei ein/-e auskunftsberechtigter Angerhörige/-r sei. Die Frage, wie sich Angehörige als auskunftsberechtigt legitimieren  können, wenn sie keinen Zugang erhalten, blieb ungeklärt.

„Endlich seid ihr da

Dem Wortgefecht samt Erklärungen beider Seiten folgte die klare Aufforderung, die Notaufnahme zu verlassen, man werde sich um die Patientin kümmern und die Angehörigen hinzurufen, sobald die Erstuntersuchung abgeschlossen sei. Wenig später wurde der persönliche Kontakt zur 93-Jährigen gestattet, die sie mit den Worten empfing: „Endlich seid ihr da.“ Von den Versuchen zu ihr zu gelangen hatte sie nichts mitbekommen. Sie war auch nicht gefragt worden, ob sie Angehörige erwarte, die ihr zur Seite stehen oder einfach nur bei ihr sein könnten. Der Wunsch der Angehörigen, der Hochbetagten zur Seite zu stehen, sie eben nicht alleine zu lassen, lief ins Leere – aus Datenschutzgründen? Mittlerweile hat sich der  Zustand der alten Dame stabilisiert. Die Fragen bleiben: Wie können Angehörige von Patienten Auskunft erhalten?

Pflegepersonal ist Buhmann

Es geht oft nicht anders: Angehörige können aus berufliche Gründen nicht jeden Tag in die Uniklinik kommen, oder sie wohnen zu weit weg. Telefonische Anfragen auf den Stationen, telefonische Nachfragen bei den behandelnden Ärzten/-innen helfen in solchen Fällen, auf dem Laufenden zu bleiben. Zurzeit ist das nicht möglich, Pflegepersonal und Ärzte/-innen geben telefonisch kaum noch Auskunft, verweisen auf den Datenschutz und müssen die Reaktionen der Angehörigen aushalten.

Bekannt ist, dass die Mainzer Unimedizin ein Bußgeld in Höhe von 105.000 Euro zahlen soll, da der Landesdatenschutzbeauftragte von Rheinland-Pfalz über einen längeren Zeitraum hinweg, Mängel beim Umgang mit Patientendaten festgestellt hatte.

Ob die Auskunftsverweigerung gegenüber Angehörigen eine Reaktion auf diese Bußgeldzahlung ist, ist offen. Ebenso, wie Angehörige sich verhalten sollen, welche Formalitäten zu klären sind, um Auskunft, auch telefonisch erhalten zu können. Die Presseabteilung der Unimedizin bemüht sich noch um Klärung. Vorerst badet das Pflegepersonal aus, dass es von heute auf morgen keine Auskunft mehr geben soll.

SoS

Handlungssicherheit für Pflegepersonal und Ärzte/-innen