Nun sind sie also doch dabei. Die Briten. 73 Sitze stehen ihnen im EU-Parlament zu. Wie lange sie die in der kommenden Legislaturperiode besetzen werden – wer weiß das schon. Was mit den 73 Sitzen passieren wird, wenn die Briten doch noch »austreten« – wer weiß das schon.
Dieses Gezerre um den sogenannten Brexit zu ertragen verleitet zum Sarkasmus. Oder zum Weinen. Der Gedanke, dass wir dabei sind das Gebilde zu zerstören, das für Frieden, Stabilität, wirtschaftlichen Wohlstand, Verständnis füreinander über Staatengrenzen hinweg sorgt, tut einerseits weh. Andererseits, was können wir tun? Mit EU-Fähnchen vor dem Sitz des Unterhauses in London demonstrieren? Ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen. Einfacher ist es zu wählen. Naheliegender auch. Eine Wahlbeteiligung wie in den Anfangsjahren, das wäre ein Signal. 1979, als das EU-Parlament zum ersten Wahl direkt gewählt werden konnte, lag die Wahlbeteiligung in Rheinland-Pfalz bei 78,1%. Offensichtlich waren die Menschen damals für Europa zu begeistern.
Bei der letzten EU-Wahl 2014 nahmen 57% der Wahlberechtigten in Rheinland-Pfalz teil. Die Gesamtdeutsche Wahlbeteiligung lag 2014 bei 48,1% und EU-weit füllten nur 42,61% der Wahlberechtigten die Zettel aus.
Da geht doch noch was. Ja, genau jetzt ist der Zeitpunkt trotzig zu reagieren! Anstatt »denen in Brüssel« die kalte Schulter zu zeigen, ein Kreuz machen. Es ist wirklich nur eines. Dafür ist der Stimmzettel recht umfangreich. 96 Zentimeter misst er. 40 Wahlvorschläge stehen darauf. Das macht es einfacher. Diesen Wahlzettel kann niemand so einfach mit denen für die Kommunalwahl verwechseln. Zur Erinnerung: Am 26. Mai 2019 finden die Kommunalwahlen in Rheinland-Pfalz und die Wahlen zum Europäischen Parlament gleichzeitig statt. Einmal ins Wahlbüro gehen und mehrere Stimmzettel ausfüllen. Das klingt doch nach Schnäppchen. Und damit niemand die Wahlzettel verwechselt, ist der für die EU-Wahl halt so lang. Quatsch. So natürlich nicht. Aber wirklich wichtig ist, auf den langen Wahlzettel für die EU-Parlamentswahl darf nur ein Kreuz.
Was braucht es noch als Motivationsschub, um an der EU-Wahl teilzunehmen und die Wahlbeteiligung mindestens so hoch zu drücken, wie 1979? Wie gelingt es, die Begeisterung für das »Projekt Europa« erneut zu entfach? Mit dem Versuch, Initiativen wie Macrons »En Marche« auf ganz Europa zu übertragen? Mit der Idee, Wahllisten von Anfang »paneuropäisch« zu gestalten? Vielleicht. Auf jeden Fall lohnt es, sich mit den Positionen zu beschäftigen. Sowohl mit denen der »Altparteien«, wie mit denen der neuen Initiativen. Das Projekt Europa ist nämlich noch nicht tot. Die Rechtspopulisten haben zwar das Grab schon geschaufelt. Aber als Wählende haben wir es in der Hand, diesen Totengräbern ein Schnippchen zu schlagen.
| SoS