Kommt es oder kommt es nicht? Über ein mögliches Dieselfahrverbot in Mainz wird am 24. Oktober vor dem Mainzer Verwaltungsgericht verhandelt. Wie will die Stadt Mainz das verhindern? Eine MAINZER-Bestandsaufnahme.
Wenige Wochen vor der Verhandlung vor dem VWG Mainz, erreichen die Stadt »gute Nachrichten« in Form von Förderzusagen (siehe Kasten). Dieser Endspurt signalisiert, die Stadt Mainz wirkt (endlich) intensiv daraufhin, die Grenzwerte einzuhalten. Ob sich das Gericht davon überzeugen lässt?
Seit 2011 streitet die Deutsche Umwelthilfe (DUH) mit dem Land Rheinland-Pfalz und mit der Stadt Mainz um die Einhaltung der Grenzwerte für Stickoxid. Zuletzt wurden in Mainz im Jahresmittel 48 Mikrogramm gemessen, der EU-weit geltende Grenzwert liegt bei 40 Mikrogramm. Zwischen 2013 und 2016 ließ die DUH das Verfahren ruhen. Die Stadt Mainz sollte Maßnahmen zur schnellstmöglichen Senkung der Schadstoffbelastung treffen. Nachdem der Grenzwert weiterhin überschritten wurde, nahm die DUH 2016 das Klageverfahren wieder auf. Strittig war bei all diesen Verfahren vor deutschen Gerichten, ob ein Dieselfahrverbot zur schnellstmöglichen Senkung der Schadstoffemissionen »verhältnismäßig« sei. Im Februar 2018 entschied das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, grundsätzlich seien Dieselfahrverbote möglich. Ruhende Verfahren vor deutschen Verwaltungsgerichten werden seither fortgesetzt. Von den Gerichten angeordnet sind bislang Dieselfahrverbote in Hamburg, Stuttgart, Aachen, Frankfurt, München. Verfahren u.a. gegen Mainz, Wiesbaden, Darmstadt und Offenbach sollen noch in diesem Jahr entschieden werden.
In Mainz lehnt die politische Führung aus SPD, Grünen und FDP ein Dieselfahrverbot kategorisch ab. Mit dem Verweis auf eigene Anstrengungen wie den Bau der Mainzelbahn, das Fahrradverleihsystem MVGMainRad, den Beschluss, die Busflotte der Mainzer Mobilität nach und nach zu erneuern, begegnete der Stadtvorstand in der Vergangenheit der Tatsache, dass die Grenzwerte für Stickoxid an den beiden Messstationen Parcusstraße und Große Langgasse im Jahresmittel überschritten werden. Stickoxide sind giftig. Sie beeinträchtigen die Lungenfunktion, schädigen die Gesundheit.
Die Politik bewegt sich
Nach der Verabschiedung des Sofortprogramms »Saubere Luft« der Bundesregierung Ende 2017 nutzte der Stadtvorstand die Chance, mit Fördergeldern Maßnahmen in Angriff zu nehmen, die, vermutlich, zur Senkung der Stickoxidwerte beitragen. Im Juni 2017 war der »Green City Masterplan M3« fertig, in den Ausschüssen diskutiert und wurde vom Ferienparlament des Stadtrats am 25. Juli verabschiedet. Aus mehr als 150 Einzelmaßnahmen wurden 18 zusammenhängende Maßnahmenbündel mit insgesamt 60 Maßnahmen entwickelt.
Sie beinhalten Fahrzeugförderprogramme (E-Antriebe), Maßnahmen zur Steigerung des Radverkehrs, zur Digitalisierung des Verkehrs (z.B. Apps, Datenerhebung und Verkehrssteuerung) und die Vernetzung der unterschiedlichen Verkehrsträger. Ein weiterer Baustein ist die urbane Logistik. Die Stadt Mainz, die Mainzer Stadtwerken und die Mainzer Mobilität haben in ihren Zuständigkeitsbereichen jeweils Förderanträge gestellt.
Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) förderte die Erstellung des »Green City Plans – Masterplan M3« zu 100%. Ende August wurde der Plan der Bundesregierung überstellt. Bereits in den Monaten zuvor gab es für einzelne Maßnahmen Förderzusagen (siehe Kasten). Ziel des M3 ist es, bis zum Jahr 2020 die aktuellen Stickoxidwerte um maximal 37 Prozent zu senken. Der Grenzwert für NO2 von 40 μg/m3 im Jahresmittel könnte also sogar unterschritten werden, mittel- und langfristig wären weitere Reduzierungen möglich. Voraussetzung für diese Reduktion ist: eine methodisch konsequente Umsetzung aller Maßnahmen – was nur gelingen kann, wenn die entsprechenden Fördergelder fließen und die Stadt die jeweiligen Eigenanteile aufbringt. Außerdem braucht es »fahrzeugseitige Veränderungen«, das betrifft z.B. Dieselfahrzeuge, die nicht der Nachrüstungspflicht nachkommen und aus dem Verkehr zu ziehen sind. Laut Pressesprecher Ralf Peterhanwahr wurde bislang ein Fahrzeug aus dem Verkehr gezogen, weitere Verfahren laufen.
Die Maßnahmen des M3 fließen in die aktuelle Überarbeitung des Luftreinhalteplans ein, der bei der mündlichen Verhandlung am 24.10.18 als Entwurf vorliegen soll.
Finanzdezernent Günter Beck erwähnte anlässlich der Vorstellung des M3 im vergangenen Juli einen weiteren Aspekt der jahrelangen Übertretung der NO2-Grenzwerte durch die Stadt Mainz: Es gehe auch darum, mögliche finanzielle Konsequenzen, die Mainz wegen Nichteinhaltung der Grenzwerte drohen, abzuwenden. »Das Vertragsverletzungs-Verfahren der EU richtet sich zwar gegen die Bundesrepublik, aber die Stadt Mainz ist für die Luftreinhaltung zuständig. Deshalb besteht die Gefahr, dass die Bundesregierung die Kosten auf die Stadt abwälzt.«
EINHALTUNG DER GRENZWERTE
Was sagt die Deutsche Umwelthilfe zu den Anstrengungen der Stadt Mainz, ein Dieselfahrverbot zu verhindern?
Dorothee Saar, Leiterin des Bereichs Verkehr und Luftreinhaltung der DUH, beantwortet telefonisch die Fragen des MAINZERs.
MAINZER: Die politische Führung in Mainz ist überzeugt, dass die in jüngerer Zeit verkündeten Maßnahmen zur Senkung der Stickoxidwerte das Gericht überzeugen werden. Wie sehen Sie das?
Dorothee Saar: »Wir wollen der Entscheidung nicht vorgreifen, verweisen aber auf die Urteile, die unserer Argumentation gefolgt sind, wie zuletzt das VWG in Wiesbaden, das für die Stadt Frankfurt ein Dieselfahrverbot ab Februar 2019 verhängt hat.«
Wie bewertet die DUH die im »Green City Plan – Masterplan M3« vorgeschlagenen Maßnahmen zur Reduzierung der Stickoxidwerte?
Saar: »Grundsätzlich begrüßen wir die Absicht, die mit dem M3 deutlich wird, eine andere Mobilität in die Wege zu leiten: mehr öffentlichen Verkehr, mehr Fuß- und Radwege, die Stärkung des Verbundes, was auch im Hinblick auf die Einhaltung der Klimaschutzziele, zu denen sich Deutschland international verpflichtet hat, relevant ist. Gut ist, dass infolge der Erarbeitung des Masterplans eine ämterübergreifende Zusammenarbeit in Gang gesetzt wurde. Für die Stadt Mainz ist aber entscheidend, was im Luftreinhalteplan steht, es ist sicherzustellen, dass die Grenzwerte zeitnah eingehalten werden, verbindliche Maßnahmen, die finanziell abgesichert sind, sind darzustellen. Die meisten Maßnahmen sind richtig und wichtig – nur, welche Auswirkungen bspw. die Einführung von WLAN in den Bussen, mit der Reduzierung der NO2-Werte zu tun hat, das ist zu erklären. Die bisherigen Reduktionen im Umfeld der Messstation Parcusstraße sind nicht überzeugend, sie resultieren aus dem geringeren Verkehrsaufkommen infolge der Baustelle Bahnhofsstraße.«
Um »maximal 37 % bis zum Jahr 2020« will die Stadt Mainz den NO2-Ausstoß verringern mit dem M3. Ist dieses Ziel aus Sicht der DUH realistisch?
Saar: »Bei einem solchen Maßnahmenkatalog ist immer mit Verzögerungen in der Umsetzung zu rechnen – auch deshalb bewerten wir die ambitionierte Reduktion um bis zu 37 % skeptisch und noch einmal: wir erkennen nicht, welche kurzfristigen Reduktionen angestrebt und umsetzbar sind.«
Im Maßnahmenkatalog spielt die Citybahn Mainz-Wiesbaden eine große Rolle. Wie bewertet die DUH diesen Sachverhalt?
Saar: »Soweit wir informiert sind, ist der Bau der Citybahn Mainz-Wiesbaden beabsichtigt, aber nicht beschlossen, es gibt politische Unwägbarkeiten, wie ein mögliches Bürgerbegehren mit ungewissem Ausgang. Abgesehen davon handelst es sich auch hier um ein langfristiges Reduktionspotenzial; wir drängen aber auf die kurzfristige Einhaltung der Grenzwerte.«
Seit Juni trudeln die Förderzusagen aus dem Sofortprogramm »Saubere Luft 2017-2020« der Bundesregierung (BMVI) für Maßnahmen des M3 ein.
Projekte im Bereich der Digitalisierung und Datenerfassung: moderne Verkehrsdatenerfassung von Schwerlast- und Radverkehr; die Konzeption eines innovativen Parkleitsystems; eine Park-Ride-Potentialuntersuchung; Mobility-as-a-service-Plattform und App-Lösungen«; »Vor-Weg-Anzeiger«; Pilotprojekt zur »Internet-of-Things«-Infrastruktur und hier speziell zur Erfassung und Verarbeitung von Verkehrs- und Infrastrukturdaten im Rahmen des Projekts »Smart City Mainz«; die Förderung des Landes Rheinland-Pfalz (1 Mio. Euro) wird für die Mehrkosten der vorgezogenen Ersatzbeschaffungen von 23 Euro-VI Bussen mit neuestem Abgasstandard genutzt, die Busse sollen noch 2018 zum Einsatz kommen.
Darüber hinaus wurden Förderanträge gestellt für: 27 batteriebetriebene Busse, die bis 2021 bestellt werden sollen, samt der dafür notwendigen Lade- und Werkstattinfrastruktur; ein Projekt zur Erweiterung und Modernisierung des Fahrradvermietsystems »meinRad«, die barrierefreie Rad-Anbindung der Kaiserbrük-ke per Spindel; die Nachrüstung von 98 Euro-IV und EEV-Bussen mit SCR-Filtern, die im Oktober 2018 beginnen soll.
| SoS