Sie sitzen abends gemütlich in einem Restaurant und plötzlich erhebt sich am Nebentisch eine Stimme die laut und vernehmlich verkündet, das Essen sei banal, der Koch unfähig und das könne man ihm ruhig abnehmen, denn er selbst sei Koch. Das seltsame ist, das passiert Ihnen immer wieder, egal wo sie essen gehen, überall erheben sich Köche die lauthals ihren Berufskollegen nieder machen.
Auf ihrem Heimweg stehen vor Schaufenstern Menschen, die sich als Schaufensterdekorateure outen und sich über die Banalität der Darstellung lustig machen. Im Linienbus angekommen erklären mehrere Fahrgäste, sie seien Berufskraftfahrer und der Busfahrer hätte einen unterirdischen Fahrstil.
Nein, so etwas gibt es nicht. Die Regel ist, dass, bis auf Einzelfälle, Berufskollegen Respekt vor einander haben und bei Kritik eher das Einzelgespräch suchen. Bis auf eine Berufsgruppe, die Architekten.
Live erleben kann man das zumindest einmal jährlich bei der »Woche der Baukultur«. Da stolpern Heerscharen von Architekten durch Mainzer Quartiere und das Lieblingswort ist dann: banal. Der Entwurf ist banal, das Viertel ist banal, der Plan ist banal usw. usw. Wenn diese Menschen wenigstens unter ihresgleichen bleiben würden, aber nein, sie wandern durch die Gegend und jeder, der ihnen begegnet muss glauben, wir sollten am besten unser geliebtes Mainz abreißen. Da diese selbstbewusste und zur Selbstdarstellung neigende Berufsgruppe nicht sicher sein kann, dass auch jeder vernehmen kann, wie banal die Architektur in unserer Stadt ist, werden Journalisten eingeladen und ermutigt das auch niederzuschreiben. Das liest sich dann z.B. so (AZ vom 23. Juni 2018): » XX sieht keinen Grund, im Viertel zu flanieren, da es ihm zu banal ist.« » XY findet das Projekt ambitioniert, aber diese Ambitionen seien nicht eingelöst.« »XZ findet das Quartier mit jedem Schritt hässlicher«, und so weiter und so fort.
Nun muss man wissen, dass die Architektenkammer, für jedes noch so kleine Projekte in Mainz Wettbewerbe verlangt, an der möglichst viele Architekten zu beteiligen sind und viele Architekten im Preisgericht sitzen sollen. In unserer Stadt geht gar nichts mehr ohne Wettbewerbe. Das dauert ewig, kostet viel Geld und Nerven. Wenn dann endlich der Preisträger feststeht (auch Platz 2 und 3 müssen Geld bekommen) und realisiert wird, beginnt die nächste »Woche der Baukultur« und die Motzerei beginnt vor vorne.
So kann das nicht weitergehen. Vielleicht sollte die Kammer mal über einen Kodex nachdenken.
| Mogunzius