Unter dem Motto: »Ein bisschen Spaß muss sein« streift DER MAINZER durch die Mainzer Fastnachts-Kampagne 2020, entdeckt manch tierisches, ein Prinzenpaar, Guggemusik, Schneewittchen und den Froschkönig.

Manchmal ist die Mainzer Fastnacht sogar ein bisschen tierisch. Wenn bei den »Meenzer Drecksäck« die Sau fliegt und bei den Umzügen eine Ente am Ende watschelt. Weder Sau noch Ente bedürfen des Tier-Schutzes. Die Sau, mit der bei den Sitzungen der »Meenzer Drecksäck« die Darbietungen gefeiert werden, hat garantiert viel Auslauf – während der Kampagne. Ihr wird kein Schwänzchen gekürzt, sie kriegt keine Antibiotika und gemästet wird sie, damit sie griffiger über die Köpfe der Gäste transportiert werden kann. Aus dieser Sau wird garantiert keine Fleischwurst.
Auch die Mainzer Zugente hat viel Auslauf beim Rosenmontags- und anderen Fastnachtsumzügen. Fliegen kann sie allerdings nicht, ihr Antrieb lässt es nicht zu. Die Zugente steht in Mainz für das Zugende und in diesem Jahr watschelt sie erstmals elektrisch.

»Humor ist Meenzer Lebensart mit Herz und Toleranz gepaart«. Das ist das offizielle Motto der diesjährigen Kampagne in Mainz. Dem steht das 2020er Motto der Alternativen Fastnachter gegenüber: »Drecksäck retten Klima!« Die beiden Mottos spiegeln die Haltungen der in Mainz lebenden Menschen wieder: Die einen machen weiter, wie sie es gewohnt sind, die anderen haben verstanden, das funktioniert nicht. Wobei gelacht wird hier und dort, nur über anderes, oder aus anderen Perspektiven.

Mit Helau über die Brücke

Über die Vollsperrung der Theodor Heuss-Brücke zum Beispiel. Halb Deutschland hat sich über die »Helau-Spur« amüsiert, die der Mainzer »OBer-Fastnachter« Michael Ebling gut gelaunt (in Wiesbaden!) ankündigte, damit die Fastnachts-Aktiven rechts und links des Rheins ihre »Ehrenämter« ausüben können. Also Vorträge halten bei Sitzungen, was die Herren (wurde außer Sabine Pelz noch eine andere Frau in der Bütt gesehen?) selbstverständlich um der Erhaltung des fastnachtlichen Brauchtums ohne Gage machen. So wird es erzählt.

Auf jeden Fall sah sich die Mainzer Verkehrsdezernentin Katrin Eder, die nicht nur eine GRÜNE sondern auch noch eine Anti-Fastnachterin ist (aber bei den »Meenzer Drecksäck« soll sie schon Bier gezapft haben) »gezwungen«, ein paar Sitzungsrednern die Ausnahmegenehmigung zu erteilen, damit sie abends am Wochenende über die Brücke mit dem eigenen PKW fahren dürfen. Das Besteigen eines Taxis ist den Aktiven offensichtlich nicht zuzumuten.

Garantiert ist die vollgesperrte Brücke Thema in vielen Vorträgen. Da wir die Mainzer Fastnachter als selbstkritische Menschen in den vergangenen Kampagnen kennengelernt haben, werden sie sicher auch die Ausnahmegenehmigungen für sich selbst in feinster Versform hinterfragen. Dem Mainzer Narrenclub sei Dank, vielmehr der Tatsache, dass er 11×11 Jahre alt wird, hat die Narrenhochburg Mainz in dieser Kampagne ein Prinzenpaar. Jacqueline Seuthe, alias Prinzessin Jacqueline, und Heinrich Diefenbach, alias Prinz Heinrich II. Beide sind in Mainz aufgewachsen und dann in die Welt hinausgezogen, leben aktuell nicht in Mainz. Kommen aber gerne hierher – und schaffen sich berufliche Freiräume, um ihren Verpflichtungen als Prinzenpaar nachzukommen. Darauf ein dreifach donnerndes Helau!

Zugmarschall Adé

Auch der Mainzer Carneval Verein (MCV) wartet mit einer Besonderheit in dieser Kampagne auf. Die finanziellen Miseren des Vereins sind zwar noch immer nicht aufgeklärt, aber ein paar neue Köpfe werden sich um die Orga der Straßenfastnacht kümmern – allein das ist bemerkenswert: Der MCV hat keinen Zugmarschall mehr, sondern eine Zugleitung. Deren Sprecher ist Hansjörg Langenbach. Bemerkenswerte Traditionen der Mainzer Fastnacht sind die Symphonie Fastnachtique und die Fastnachtsposse. Beiden bietet das Mainzer Staatstheater eine Heimstatt. Allerdings muss, wer für die Symphonie (am 15. und 16.2.20) und die Posse (vom 18.-25.2.20) Eintrittskarten kaufen möchte schon im Oktober/November an die bevorstehende Kampagne denken.

Keine Eintrittskarten braucht es für das »Europäische Guggemusikfestival«, das der Mainzer Carneval Verein vom 14. bis 16. Februar 2020 in Mainz organisiert. 31 Gruppen und über 900 Musikanten aus ganz Europa nehmen teil. Am Samstag, 15.2., um 11 Uhr treffen sich die Guggemusik-Gruppen am Hopfengarten, starten dort ihren Umzug durch die Stadt bis zum Gutenbergplatz. Dort stellt der MCV die Gruppen vor und dann beginnt das »Monsterkonzert«: Alle 31 Gruppen spielen auf Startschuss ein Lied. Die Winterferien sind schuld, dass der Jugendmaskenzug auch 2020 wieder vor dem Auftakt zur Straßenfastnacht stattfindet, am Samstag, 8. Februar. Das Motto lautet: »Schneewittchen, Froschkönig sind mit dabei im goldisch Meenz zur Narretei, drum kommt heut all wie‘s euch gefällt zur Kinderfastnachts-Märchenwelt!« Ab 14.11 Uhr starten die Kinder und Jugendlichen in der Neustadt (Achtung: der Aufstellungsbereich ist näher an die Kaiserstraße gerückt) zur 2,5 Kilometer langen Zugstrecke.

Den Rosenmontagszug hörend erleben

Die Mainzer Fastnachts-Genossenschaft wurde gegründet, um die Aktivitäten der Fastnachtsvereine und Garden zu bündeln. Außerdem sollte die Neuverteilung der Verantwortlichkeiten und der Einnahmen aus der Straßenfastnacht angegangen werden. In der Vergangenheit war es Usus, dass der MCV als »Ausrichter« der Straßenfastnacht, auch die damit generierten Einnahmen vereinnahmte. Die anderen Vereine und Garden, die zwar viel Material und Personen stellten, gingen leer aus.

Was ist aus diesem Ansinnen geworden? Der MCV kämpft bis auf weiteres mit seinen Bilanzen… Die Fastnachts eG ist deshalb aber nicht untätig: Sie hat angekündigt, dass der Rosenmontagszug erstmals auch für Blinde erlebbar wird – sie sollen hören können, was andere sehen. Ein entsprechend geschulter Reporter, platziert inmitten des Zuggeschehens erzählt ausführlich, was er sieht. Super Idee! Sicher einfacher umzusetzen, als überkommene Strukturen in der Mainzer Fastnacht zu ändern.

| SoS