Stefan Lux hat eine Familie, einen guten Job, interessiert sich ausgiebig für Technik und Sport und macht mit bei XR: Extinction Rebellion, jener Organisation die u.a. mit gewaltfreien Die-ins und Blockaden die Ausrufung des Klimanotstands herbeiführen wollen. Passt das zusammen?
In der XR-Gruppe Mainz und Rheinhessen ist Stefan Lux mit seinen 38 Jahren keine Ausnahme. Die meisten seien so mitteljung, also zwischen 30 und 50 Jahre alt. Zu den vierzehntägigen Plena kämen regelmäßig 20 Leute, etwa gleich viele Frauen wie Männer. Die WhatsApp-Gruppe zählt etwa 80 Leute. Stefan Lux ist seit Anfang 2019 bei XR Mainz/Rheinhessen dabei, zuvor war er ein paar Monate bei XR-Frankfurt aktiv.
»Andere Verbände, oder gar Parteien sprechen, mich nicht an, XR drückt die Dringlichkeit am deutlichsten aus«, beginnt er zu erklären, warum er sich ausgerechnet jetzt und ausgerechnet bei XR engagiert.
Es muss anders gehen
Weder Fridays For Future noch sein zweieinhalbjähriger Sohn hätten ihm einen Kick gegeben oder aktiviert, weist er entsprechende Spekulationen von sich. »Es geht ja nicht nur um die Zukunft meines Sohns und ich stellte fest, es reicht nicht, den Strom bei einem Öko-Anbieter zu kaufen, Geldgeschäfte über eine ethisch korrekte Bank abzuwickeln, eine Solaranlage auf dem Dach zu haben und ein E-Auto zu fahren – ich kann meine eigene Ökobilanz optimieren, aber das ändert nichts am Klimanotstand.« Politik und die Bürger/-innen hätten 30 Jahre lang versucht, individuell voranzukommen: »Das hat nicht funktioniert, das ist gescheitert. Jetzt muss es anders gehen.
Allerdings hege ich nicht die Illusion, dass die Politik den Klimanotstand ernst nimmt, weil XR Brücken, Kreuzungen und Plätze blockiert und so die strukturellen Bedingungen verändert werden. Die Aktionen zielen auf die Mobilisierung der Bevölkerung für eine große Bürgerbewegung.« Geboren ist Stefan Lux 1981 in Rostock, seit acht Jahren lebt er in Rheinhessen und arbeitet als Entwicklungsingenieur für Medizintechnik in Taunusstein. Sport und Technik sind, eigentlich, seine Hauptleidenschaften: Kitesurfen während des Studiums in Wilhelmshaven, in Rheinhessen Klettern, Radfahren und Squash: »Ich muss mich bewegen!«
Seitdem sein Sohn auf der Welt ist und seit dem er sich bei XR engagiert, bleibe keine Zeit mehr für Sport – das ist halt so, zuckt er die Achseln. Er war auch lange ein leidenschaftlicher Autofahrer gewesen, sei mit Kommilitonen von Wilhelmshaven zum Nürburgring gefahren, um Autorennen zu sehen und geflogen sei er ebenfalls oft. Aus beruflichen Gründen fliegt er noch heute, aber privat fährt er mit seiner Familie mittlerweile Zug oder mit seinem E-Auto.
Während der Studienzeit nahm er an Anti-Atom-Demos teil – da sei schon Interesse für diese Themen gewesen, aber dann kamen der Arbeitsalltag, die Familiengründung: »Umwelt und Klima waren da, aber irgendwo im Hintergrund bis es medial deutlicher und damit dringlicher wurde.«
Klimanotstand ausrufen
Stefan Lux ist nicht nur klimaaktivistisch unterwegs, ihn beschäftigt auch die zunehmende soziale Ungleichheit, er hat den E-Auto-Stammtisch in der Region initiiert und in Ingelheim, wo er wohnt, besucht er regelmäßig Ausschuss- und Stadtratssitzungen. Als der Ingelheimer OB seine Zusage, das Thema »Klimanotstand« nach der Sommerpause 2019 im Stadtrat zu behandeln nicht einhielt, bastelte sich Stefan Lux ein Schild aus einer alten Tapetenrolle, darauf war zu lesen: »Klimanotstand ausrufen!«. Damit stand er eine Stadtratssitzung lang vor den Stadtratsmitgliedern und hielt ihnen das Schild vor die Nase.
»Wir haben in Deutschland das Privileg, uns zu allem öffentlich äußern zu können. In anderen Teilen der Welt kommen Menschen dafür ins Gefängnis – oder es passiert ihnen Schlimmeres. Wir haben also eine weltweite Verantwortung, denn wir können die Dringlichkeit benennen.«
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