Was tun, wenn auf dem Spielplatz Drogen vertickt werden, die Musik auf dem Balkon nebenan den Schlaf raubt oder »Nachtschwärmer« Autos demolieren? Die Ordnungskräfte rufen! Und wenn die nicht kommen? DER MAINZER stellt Erfahrungen von Bürger/-innen anonymisiert dar.

Das Bleichenviertel in Mainz: seit Jahren wird über unterschiedlichste Delikte und Polizeieinsätze berichtet. Das Quartier zwischen Kaiserstraße und Große Bleiche, sowie Münsterstraße und Bauhofstraße wirkt insbesondere im Dunkeln wenig vertrauenerweckend – ein subjektives Empfinden, das z.B. Frauen in fortgeschrittenem Alter veranlasst, die Straßen zu meiden.

Im Bleichviertel leben auch Menschen, solche die nachts schlafen wollen, zum Beispiel. »Das ist schwierig, teilweise unmöglich und geht grundsätzlich nur bei geschlossenen Fenstern.«

Wir haben uns mit einem Anwohner getroffen, der seit vielen Jahren in einer der Bleichen lebt und nennen ihn hier Rudi. Das ganze Jahr über, auch wenn es richtig kalt ist oder in Strömen regnet, zögen nach Mitternacht Gruppen von jungen Leuten durch die Bleichen – immer vom Münsterplatz in Richtung Bauhofstraße. Laut grölend, singend, mit Bluetooth-Lautsprechern »bewaffnet«. Manchmal gehen Scheiben zu Bruch, Autos werden demoliert, Leute prügeln aufeinander ein – Rudi hat schon oft die Polizei gerufen: »Bis die kommt, ist keiner mehr da.« Im Grunde, meint er, müssten sich die Polizisten jede Nacht am Münster- oder am Neubrunnenplatz postieren und den Feiernden, den Schreienden klar machen: »Klappe halten«. Das ist illusorisch, weiß Rudi. So viele Kräfte, die dafür sorgen, dass die Bürger/-innen ruhig schlafen können und um eventuelle Straftaten zu verhindern, kann die Polizei nicht aufbringen, ist er überzeugt.

Es macht keinen Sinn

Den Krach auf der Straße kann Rudi lokalisieren – er ist aber nicht der einzige, der die Nachtruhe unterbricht oder gänzlich verhindert. Es gibt noch mehr Lärmquellen. Wer nachts manchmal Böller abbrennt oder mit dem Megaphon aus irgendeinem Fenster durch die Straße brüllt oder die Musik so laut aufdreht, dass der Fußboden vibriert: Rudi hat keine Ahnung, wer die Nachbarn so terrorisiert. Aus dem eigenen Haus kommt der Lärm nicht – aus welchem dann? Soll Rudi im Schlafanzug die Häuser abklappern? Also ruft er beim Ordnungsamt an – die sind für Lärmbelästigungen zuständig, nicht die Polizei. »Die fragen als erstes nach der Lärmquelle, die ich aber nicht benennen kann, dann heißt es, es werde ein Wagen durch die Straße fahren, um herauszufinden, woher der Lärm kommt – klar, was sollen die Leute vom Ordnungsamt auch anderes machen?« Fündig wurden sie noch nie, sagt Rudi. Denn egal welcher Lärm es war, er hörte einfach nicht auf.

Rudi mag nicht mehr. Er ruft auch nicht mehr an, weder bei der Polizei noch beim Ordnungsamt. Es macht keinen Sinn. Erstens kommt keiner, der wirklich hilft und zweitens bringt es ihm nichts, sich genau darüber aufzuregen. Ja, sauer sei er schon, gibt Rudi zu. Er fühle sich irgendwie allein gelassen – obwohl er gar nicht allein ist. Die Nachbarn würden ebenso unter dem Lärm leiden.

Eine Lärmquelle, die Rudi immer öfter auffällt, sind die »dicken« Autos, die gerne nachts von einer Kreuzung zur anderen beschleunigen und den Motor so richtig aufheulen lassen. Den Kennzeichen nach, kommen die nicht aus Mainz und Rudi fragt sich, was die Leute ausgerechnet im Bleichenviertel wollen. Nur Krach mit den dicken Schlitten machen? Oder wickeln die hier irgendwelche Geschäfte ab? Es ist ein beliebtes Gesprächsthema unter den Anwohnern/-innen, sich auszumalen, was in den Läden und Kneipen so alles abgeht. Die Gerüchteküche brodelt.

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