Eine Gratwanderung zwischen Helfen und Bevormunden sei ihr Engagement, sagt Claudia Ahlers. Seit 2015 koordiniert sie die Ehrenamtsarbeit in der Flüchtlingsunterkunft Zwerchallee.
»Es hat sich viel geändert, die Anforderungen sind aktuell ganz andere als 2015.« Damals war es wichtig, die Ankommenden mit Essen zu versorgen und Deutschkurse zu organisieren: »Wir haben im ›Katastrophenmodus‹ gearbeitet«, erinnert sich Claudia Ahlers. Längst ist es wichtig, die Menschen in ihrem Alltagsleben zu begleiten und vor allem die Kinder zu unterstützen und zu fördern. »Auf den Kindern liegt unser Hauptaugenmerk.« 140 Kinder im Alter von 0 bis 18 Jahre leben in der Flüchtlingsunterkunft Zwerchallee.
Ausflüge zu organisieren, ist so eine Aufgabe, bei der auch die Fähigkeit, Mittel zu akquirieren gefragt ist. »Wenn wir mit den Kindern nach Frankfurt in den Zoo fahren wollen, müssen wir zuerst Fahr- und Eintrittsgeld über Spenden beschaffen.« Nachhilfe und Hausaufgabenbetreuung zu organisieren, die Bewerbungen für die Schul-Stipendien des Bistums Mainz zu betreuen und immer wieder die – möglichst kostenlose – Teilnahme an Veranstaltungen zu arrangieren, sind weitere Aufgaben der Ehrenamtlichen und ihrer Koordinatorin. »Wir wollen die Kinder so oft wie möglich aus der Zwerchallee rausholen, damit sie unser Alltagsleben kennenlernen«, sagt Claudia Ahlers. Aktuell sind die Ehrenamtlichen mit der Weihnachtsgeschenke-Aktion beschäftigt. Die Kinder schreiben Wunschzettel, die werden an Unternehmen weitergeleitet, die bei der Spenden-Aktion mitmachen.
Claudia Ahlers ist 1949 in Norddeutschland geboren, ihre Eltern, aus Oberschlesien und Sachsen stammend, waren dort Flüchtlinge. »Wir mussten als Flüchtlingskinder in der Schule immer in der letzten Reihe sitzen, ich erinnere mich, wie sich das anfühlt.« Nach Mainz kam sie 1983 mit Mann und Tochter und arbeitete 22 Jahre lang als Außenhandelskauffrau bei einem internationalen Logistiker am Frankfurter Flughafen.
Eher zufällig ist Claudia Ahlers in die ehrenamtliche Flüchtlingsarbeit in Mainz geraten. 2014 engagierte sie sich im MUMM-Projekt der damals noch bestehenden Ehrenamtsagentur und brachte Unternehmen mit sozialen Einrichtungen zusammen. Dabei organisierte sie auch ein Projekt für die von der »Stiftung Juvente Mainz« betreute Flüchtlingsunterkunft in der Zwerchallee. Im Sommer 2015 war das Projekt erfolgreich beendet und »Juvente« suchte eine Koordinatorin für ehrenamtliche Flüchtlingsarbeit. Claudia Ahlers sagte ja.
Die Ankommenden begleiten
»Ich sehe mein Ehrenamt auch als eine politische Arbeit, bei der ich, wie alle anderen, viel lerne, wie soziale Einrichtungen funktionieren und Netzwerken, zum Beispiel. Außerdem überlege ich mir, wie wird unsere Gesellschaft in 20 Jahren aussehen, werfen uns unsere Enkelkinder einmal vor, wir hätten uns zu wenig engagiert?« Die Begegnung mit den Flüchtlingen sei nicht immer konfliktfrei, stellt sie fest, aber: »Sie treffen unter den Flüchtlingen ganz unterschiedliche Menschen an, manche sind sehr gebildet andere gar nicht – ein Querschnitt der Bevölkerung, wie bei uns auch.« Außerdem hält sich Claudia Ahlers vor Augen, wie das wohl wäre, wenn sie hier alles aufgeben und ganz allein in, zum Beispiel, einem arabischen Land leben müsste. »Ich denke immer daran, das sind Menschen aus anderen Kulturkreisen. Wer sich darauf einlässt, macht gute Erfahrungen und erlebt das als Bereicherung seines Lebens.«
Zurzeit arbeitet Claudia Ahlers in der Zwerchallee mit 30-35 Ehrenamtlichen zusammen, dazu kommen diejenigen, die eine Patenschaft für eine Familie übernommen haben: »Wir brauchen dringend weitere Mitstreiter/-innen, um den Ankommenden den Weg in unsere Gesellschaft zu erleichtern.« Als begeisterte Fotografin widmet sich Claudia Ahlers mit der Kamera gerne bildlichen Details – ohne die Hintergründe aus den Augen zu verlieren. Ein Blickwinkel, der sie auch durch ihr Engagement für die Flüchtlinge zu begleiten scheint und ihr viele Anregungen, Einsichten und neue Freundschaften verschafft.
| SoS