Im Notfall sollen sie helfen oder Leben retten: Doch immer mehr haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter von Hilfsdiensten, der Feuerwehr und Polizei erleben auf dem Weg zu einem
Notfall und am Unfallort verbale oder körperliche Gewalt.

Dominik Spies (Foto) ist seit über fünf Jahren hauptberuflich Rettungsassistent bei den Johannitern, zuvor war er viele Jahre Rettungssanitäter. Er hat, wie die meisten seiner Kollegen, bereits einige Auseinandersetzungen mit Personen am Unfallort und auf dem Weg dahin erlebt. Mal seien es Beleidigungen von Angehörigen einer hilfesuchenden Person, mal Autofahrer oder Anwohner, die verbal übergriffig werden, erzählt der 37-Jährige.

»Geschupst und angerempelt wurde ich allerdings auch schon. In dem Fall von dem Besitzer eines parkenden Autos, vor das wir uns in einer Straße gestellt hatten, um eine Patientin in einem Wohnhaus zu behandeln. Diese Person war so wütend, dass wir die Polizei rufen mussten. Letzen Endes bekam sie aber nur eine Verwarnung.«

Öffentlichkeit für Thema sensibilisieren

Um die Öffentlichkeit für das Thema der Gewalt gegen Rettungskräfte zu sensibilisieren und mögliche Täter abzuschrecken, haben die Rettungsdienstbehörde des Landkreises Mainz-Bingen, Polizei und Feuerwehr in der Stadt Mainz sowie die Hilfsorganisationen Arbeiter Samariter Bund, Deutsches Rotes Kreuz, Johanniter-Unfall-Hilfe, Malteser Hilfsdienst und Rettungsdienst Corneli Anfang 2017 die gemeinsame Kampagne »Helfer sind tabu« initiiert. Seitdem ist das Logo auf zahlreichen Rettungs- und Feuerwehrwagen sowie Notfalleinrichtungen der beteiligten Organisationen zu sehen.

Außerdem sind 16 ihrer Helfer zu »Gewaltpräventionstrainern Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS)« ausgebildet worden, die ihre Kollegen etwa in Deeskalationsstrategien, Selbstverteidigungsmaßnahmen und der Konfliktvermeidung schulen. Spies ist einer dieser Trainer und froh darüber, dass er nun weiß, wie er mit aggressiven Personen bei einem Einsatz umgehen soll.

Was die Gründe dafür sein könnten, dass Rettungskräfte, Feuerwehr und Polizei weniger Respekt, aber mehr Aggression erfahren, kann er nur vermuten: »Die Menschen haben mehr Zeitdruck, mehr Termine und jeder ist sich selbst am nächsten.« Er hoffe, dass die Kampagne »etwas bringt« und »es ist eine gute Sache, dass wir das Problem gemeinsam angehen.«

Mehr Unterstützer an Bord holen

Damit die Kampagnen noch größere Aufmerksamkeit in der Stadt und im Landkreis erhält, haben deren Initiatoren den gleichnamigen Verein ins Leben gerufen. Dessen 1. Vorsitzender Dr. Stefan Cludius erklärt: »Der Schritt zur Vereinsgründung ist notwendig gewesen, um möglichst viele Unterstützer an Bord zu holen.« Hierzu gehörten die Politik und weitere Institutionen, aber auch die Staatsanwaltschaft und das Gerichtswesen, damit mehr Strafanzeigen als bisher verfolgt werden.

Kein Kavaliersdelikt

»Mein Eindruck ist, dass Übergriffe gegen Rettungskräfte als Kavaliersdelikt angesehen werden. Dieser Einstellung wollen wir entgegenwirken. Wir wollen erreichen, dass Gewalt gegen Helfer endlich tabu ist.« Um das Bewusstsein in der Bevölkerung für die Problematik aufrecht zu erhalten, werde die Kampagne ohne Zeitbeschränkung weiterlaufen. Für die Zukunft sind weitere Trainingseinheiten mit dem Ziel geplant, dass alle Mitarbeiter des Rettungswesens in Rheinhessen im Umgang mit Gewalt und Pöbeleien geschult sind.

Und vielleicht, so hofft der Vereinsvorsitzende, habe das Mainzer Kampagnen- und Vereins-Modell für andere Bundesländer oder Städte Vorbildcharakter, wodurch neue Kooperationen entstehen könnten.

| KH