Es ist ein typisches Frühjahrs-Thema: Brütende Vögel. Allerdings haben manche ihre Bruthöhlen in den vergangenen Wochen schon vorbereitet. Halsbandsittiche in Hausfassaden zum Beispiel.
Wie viele der Papageienvögel sich in der Dämmung Mainzer Hausfassaden eingenistet haben, ist unklar. Nicht jedem Hausbesitzer fällt gleich auf, wenn sich der Papageienvogel als »Nachmieter« des Spechts in der Fassade breit macht. Dass die Vögel einer Styropor-Höhle nicht abgeneigt sind, ist seit Jahren bekannt. In Heidelberg wurden Berichten zufolge schon 2013 erste Brutpaare in einer Hauswand gesichtet.
Die Sittiche, ursprünglich auf dem asiatischen und afrikanischen Kontinent beheimatet, stehen in den EU-Ländern unter Beobachtung: werden sie als invasive Art eingestuft, müssten die Bundesländer (die für Natur- und Artenschutz zuständig sind) Maßnahmen erarbeiten, um die Ausbreitung der Population zu begrenzen und deren Auswirkungen auf andere Arten zu reduzieren. Hintergrund dieser, von einer EU-Verordnung ausgehenden Handhabung, ist die Absicht, die Gefährdung von »einheimischen« Arten durch »exotische« Tier- und Pflanzenarten, einzudämmen. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Sitz in Bonn veröffentlichte 2015 die Ergebnisse eines Forschungsvorhabens zur naturschutzfachlichen Bewertung der Invasivität von nicht heimischen Arten. Auf dessen Grundlage gilt u.a. die Schwarzkopfruderente als invasiv, nicht aber die Sittich-Arten. Halsbandsittiche wurden als »potenziell invasiv« charakterisiert, so die telefonische Information aus dem BfN. Es habe Anhaltspunkte gegeben, dass die Sittiche mit »heimischen« Vogelarten um Brutplätze konkurrieren könnten, weshalb die Art weiterhin beobachtet werde.
Diese Beobachtung ist Sache der Landesämter für Umwelt- und Naturschutz. In Mainz und Rheinhessen gebe es 200-300 Brutpaare des Halsbandsittichs und 4-8 Paare des Großen Alexandersittichs, sagt Ludwig Simon, im rheinland-pfälzischen Landesamt für Umwelt zuständig für Biologische Vielfalt und Artenschutz. Diese Zahlen stammen aus 2015, die Anzahl scheint zu steigen. Wie genau sich die Population verändert, ist unklar, aber: »Wir wissen, die Tiere haben sich entlang der Rheinschiene etabliert, z.B. in Mainz, Worms, Frankenthal und Speyer«, stellt Simon klar und: »die Population ist noch zu klein, um von einer Bedrohung heimischer Arten auszugehen.«
Die Bruthöhlen
Sittiche sind Sekundärnutzer, heißt, sie ziehen dort ein, wo andere ausziehen. Ihr Schnabel ist nicht geeignet, ein Loch ins harte Holz von Bäumen zu schlagen oder den Putz von einer Hauswand zu hauen. Das erledigen die Spechte für sie. »So lange es Spechte gibt, gibt es auch Sittiche«, sagt Simon. Zumal die Spechte noch eine andere Eigenart haben: das Männchen baut mehrere Höhlen, denn die Weibchen suchen sich gerne aus, wohin sie ihre Eier legen. Die Höhlen, die der Specht nicht belegt, stehen anderen Höhlenbrütern zur Verfügung: Staren, Fledermäusen, Sittichen.
Bekannt ist, dass nicht alle menschlichen Stadtbewohner/-innen bereit sind, ihren Lebensraum mit Tieren zu teilen, die ursprünglich in ganz anderen Habitaten lebten. Sittiche sind laut und wo sie zuhauf auftreten, findet sich viel Kot. Brüten sie in Fassaden, zerstören sie die Dämmung: in die Löcher tritt Wasser ein, Risse entstehen, die im Winter zufrieren und weitere Schäden verursachen. Die Sanierung der Fassade müssen die Eigentümer selbst bezahlen.
In Köln, wo etwa 3.000 Brutpaare leben, wurde versucht die Sittiche zu vergrämen, nachdem Anwohner/-innen mit einer Böllerschussanlage auf die Vögel losgegangen sind. Solche »Abwehrmaßnahmen« sind unzulässig, die Sittiche stehen, wie fast alle wild lebenden Tiere, unter allgemeinem Artenschutz: sie dürfen nicht ohne zwingende Gründe vertrieben werden. Während der Brutsaison sind sie sowieso tabu. Wer Sittichen die Lust aufs Brüten in der Fassadendämmung nehmen will, sollte auf Specht-Löcher achten – und sie notfalls zu spachteln, nachdem der Specht »ausgezogen« ist. Oder die Fassade durch ein davor gespanntes Netz schützen.
| SoS