In Mainz jeden Tag alle Wege mit dem Fahrrad zu bewältigen, bedarf hoher Konzentration und vieler Nerven. Eine gute Kenntnis der Örtlichkeiten wie der jeweiligen Beschilderung, ist von Vorteil. In Wiesbaden reicht all das nicht aus.

Radwege, die im Nichts enden; Autofahrende, die den Mittelfinger zeigen, weil ich mich nicht an den Fahrbahnrand drängen lasse; Fußgänger/-innen, die sich beschweren, weil ich auf dem kombinierten Rad/Fußweg an ihnen vorbei will; Lieferfahrzeuge, die auf den Radwegen parken; Radfahrende, die mir auf der falschen Straßenseite entgegenkommen… Die Rede ist vom Radeln in Mainz und die Liste ließe sich bis ins Unendliche fortsetzen. Autofahrer/-innen und Fußgänger/-innen könnten ihre eigenen Listen schreiben. Bringt aber nichts, alle Verkehrsteilnehmer/-innen müssen jeden Tag aufs Neue mit allen anderen klar kommen. Außerdem gibt es Schlimmeres. Radeln auf der anderen Rheinseite, z.B., in Wiesbaden.

Mittels Web-Recherche und dem Stichwort »Wiesbaden+Fahrradwege« herauszufinden, welche Fahrradwege in Wiesbaden geeignet sind, irgendwohin zu kommen, bringt – gar nichts. Die Hessen haben auf der Webseite ihrer Landeshauptstadt zwar Infos zu touristischen Rundtouren aber keine zum Radfahren in der Innenstadt eingestellt. Heftig. Aber ehrlich.

Vor dem Hauptbahnhof in Wiesbaden geht’s los. Mit dem Unzumutbaren. Viele Schilder, solche mit Fahrradsymbol und Kilometerangaben. Nur, wo sind die Wege? Vor meinen Augen erstreckt sich der Kaiser-Friedrich-Ring. In jeder Fahrtrichtung vier Spuren. Nur für Autos. Soll ich mit dem Fahrrad da lang fahren? Bei dem Tempo der Autos und deren Spurwechsel-Verhalten? Ich will lebend und mit heilen Knochen im Kallebad ankommen!

Über Seitenstraßen, mit superschicken Villen und ganz viel Kopfsteinpflaster, hoppelte ich mich durch bis zum Gräselberg. Dort traf mich fast der Schlag als ich die »Fahrrad-Ständer« am Wiesbadener Kallebad (siehe Foto oben) erblickte. Liebe Wiesbadener, in welchem Mobilitäts-Zeitalter lebt ihr eigentlich? Schon was davon gehört, dass Fahrräder richtig Geld kosten? Und das auch in Eurer schönen Stadt Radler/-innen dazu beitragen, die Stickoxidwerte zu senken? Offensichtlich nicht! Wehe, die Radlerin fährt in der Tempo 30-Zone (die gibt’s tatsächlich) in der Mitte der Straße, um den sich plötzlich öffnenden Türen parkender Fahrzeuge besser ausweichen zu können. Mit aggressivsten Hupen wird sie an den Fahrbahnrand gezwungen und dazu noch auf das Übelste beschimpft. Nahezu fassungslos beobachtete ich Radlerinnen, die ihre Kleinkinder im Fahrradanhänger hinter sich herziehen. Wie viel Mut gehört denn dazu? Nach den Erfahrungen ist meine Achtung vor all denjenigen, die täglich in Wiesbaden mit dem Rad fahren, enorm gestiegen.

| SoS