Die CityBahn Mainz-Wiesbaden. Was spricht für und was spricht gegen diese schienengebundene Verbindung der beiden Landeshauptstädte?
DER MAINZER sprach mit einem Verkehrsexperten und mit einem Vertreter der Wiesbadener Bürgerinitiative »Mitbestimmung Citybahn«.
Was spricht für die CityBahn, Herr Professor Blees?
Das wichtigste Argumente für den Bau der CityBahn finde sich im Wiesbadener Verkehrsentwicklungsplan: Die Obergrenze der Beförderungskapazität sei erreicht, das Wiesbadener Busangebot nicht erweiterbar. Ein ebenso wichtiges Argument laute: Auch in Wiesbaden ist die Luft so schlecht, dass ein Dieselfahrverbot droht. Grundsätzlich komme, wer den Ausbau, die Attraktivität des ÖPNV befürworte, um ein schienengebundenes Verkehrssystem nicht herum: »In Städten ist das die Straßenbahn.« Volker Blees, promovierter Bauingenieur, forscht seit 1998 zu »Verkehrslösungen«. Er kennt in Deutschland keinen professionellen Verkehrsplaner, der bestreiten würde, dass Straßenbahnen das attraktivste öffentliche Verkehrsmittel sind, was den Fahrkomfort betrifft. Der Professor für Verkehrswesen verweist auf Frankreich: in den letzten Jahrzehnten wurde dort in mehr als 30 Städten die Straßenbahn wieder eingeführt. Mit Erfolg. Wie Auslastungszahlen belegen. In Wiesbaden scheint die Straßenbahn die einzige Möglichkeit, den ÖPNV substanziell auszubauen. Und was haben die Mainzer/-innen davon? Blees sagt, der Handlungsdruck sei auf Mainzer Seite nicht so hoch. »Allerdings wissen doch die Mainzer als langjährige Nutzer von Straßenbahnen, wie komfortabel das Verkehrsmittel ist – dann auch über den Rhein hinweg.« Außerdem spiele auch in Mainz die Luftreinhaltung eine Rolle. Und: von der verstärkten Zusammenarbeit mit der ESWE profitierten die Mainzer allemal. ESWE hat das MVG-MeinRad-Verleihsystem übernommen, entwickele es weiter, was dann auch für die MVG und damit die Nutzer in Mainz von Vorteil sei. Ein anderes Argument ist eher gesamtgesellschaftlicher Natur: »Die Akzeptanz für Autos im Straßenbild sinkt«, weiß der Hochschulprofessor aus Studien. In der Generation seiner Studierenden beobachtet er, dass die Entscheidung ein Auto zu benutzen, unter dem Gesichtspunkt, womit komme ich am effektivsten von A nach B getroffen werde. »Ein Auto zu besitzen ist unter den Jüngeren kein Muss.«
Als Verkehrsexperte fallen ihm keine Argumente gegen den Bau der CityBahn ein. Blees weiß aber, die negativen Betroffenheiten müssen gering gehalten werden: es braucht die Akzeptanz für den Bau, für alle damit verbundenen Unannehmlichkeiten und für die Veränderungen, die den Strecken-Anrainern ins Haus stehen. Befürchtungen und Ängste müssen aufgegriffen und ausgeräumt werden. Kritisch sieht Blees den Planungsprozess der CityBahn in Wiesbaden unter dem Gesichtspunkt »Stadtentwicklung«. Seiner Ansicht nach ist die Attraktivität einer Innenstadt auch in Verbindung mit ihrer Erreichbarkeit und mit der Begrenzung des Verkehrsaufkommens zu bewerten. Hier habe man in Wiesbaden mit der Festlegung, die CityBahn durch die Rheinstraße statt durch die Luisenstraße zu führen ein Stückchen Attraktivität verschenkt: »Eine innenstadtnahe Anbindung verschafft der CityBahn mehr Rückenwind.«
Auf die Frage, ob sich die Gegner »mitnehmen« lassen, erläutert Blees, Mobilitätsverhalten sei ein habituelles Verhalten, deshalb sei es schwierig, auf einer rationalen Ebene alle zu erreichen. »Es geht um tagtägliche Gewohnheiten und um Widerstände, diese Gewohnheiten zu ändern.« Dazu brauche es einen kulturellen Veränderungsprozess – und der brauche Zeit. »Es müssen neue Bilder in den Köpfen entstehen. Bilder, auf denen das Auto nicht im Vordergrund steht.« Um das zu vermitteln seien Kommunikationsexperten gefragt.
Ob bei der Planung und der Beteiligung der Öffentlichkeit alles richtig gemacht, wisse man erst wenn die Bahn gebaut und fünf Jahre in Betrieb sei, weiß Blees. Das sei bei allen Bauvorhaben so – ob öffentlich oder privat finanziert. Spätestens seit Stuttgart 21 hätten Ingenieure und Planer begriffen, ohne Beteiligung der »Betroffenen« funktioniert ein Großprojekt nicht mehr. »Die institutionelle und die allgemeine Öffentlichkeit muss noch üben, wie miteinander solche Großprojekte geplant und durchgeführt werden.« Heißt: Infomessen, Online-Dialog, Bürgerversammlungen – das bekannte Instrumentarium von Öffentlichkeitsbeteiligungen unterliegt fortdauernden Anpassungen. Denn klar sei allen: Bringt ein Bürgerentscheid ein solches Projekt zu Fall, ist a) das Verkehrsproblem nicht gelöst und sind b) die dafür ausgegebenen Steuergelder futsch.
Was spricht gegen die CityBahn, Herr Jöckel?
Es gehe der Bürgerinitiative »Mitbestimmung Citybahn« nicht in erster Linie um eine Ablehnung des Projektes sondern um die Legitimation durch die Bürger/-innen, so Knut Jöckel, einer der Wiesbadener BI-Vertreter. Die CityBahn werde für die nächsten 50-60 Jahre einschneidende Veränderungen mit sich bringen, die nicht einfach rückgängig gemacht werden könnten. Außerdem habe dieses Thema weder im Kommunalwahlkampf 2016 noch im OB-Wahlkampf 2013 im Fokus der Debatte gestanden. Deshalb sei ein Bürgerentscheid notwendig. Den, so die Meinung der BI, solle die Stadtverordnetenversammlung selbst herbeiführen, in dem sie ein Vertreterbegehren beschließt. Erforderlich sei dazu eine Zweidrittelmehrheit was heißt, auch Vertreter von CDU, SPD und Grüne, die mehrheitlich bislang für die CityBahn votieren, müssten dem Antrag auf einen Bürgerentscheid zustimmen. Nur die FDP hat sich in der Wiesbadener Stadtverordnetenversammlung anfangs für ein solches Verfahren ausgesprochen. «Wir sehen aber Anzeichen, dass sich auch die anderen Parteien diesem Verfahren anschließen könnten« sagt Jöckel.
Drei Gründe sprechen aus Sicht der BI gegen die CityBahn. 1. Die Finanzen. »Die Zuschüsse von denen immer die Rede ist, beziehen sich allein auf den Bau der Bahn und grundsätzlich nicht auf die Planung oder die Fahrzeugbeschaffung. Die Betriebskosten muss die CityBahn GmbH stemmen und das über Jahrzehnte hinweg. Außerdem halten wir die veranschlagten Gesamtkosten von rund 450 Mio. Euro für nicht haltbar und damit auch nicht die für Wiesbaden errechneten 19 Mio. Euro, die nur die Baukosten für einen innerstädtischen Teilabschnitt der Wiesbadener Strecke, nicht aber den weiteren Teilabschnitt bis zur Stadtgrenze oder die Planung und Fahrzeugbeschaffung umfassen würden.« 2. Das Stadtbild. Die Stadt werde über Jahre massiv umgegraben und sich optisch verändern. »Wir möchten das Stadtbild erhalten.« Die BI trete für einen modernen und flexiblen ÖPNV ein, aber Schienen in einem eigenen Gleisbett, wie in der Biebricher Allee, heiße, dieser Bereich steht anderen Verkehrsteilnehmern nicht mehr zur Verfügung. Außerdem fallen viele Parkplätze weg, Bäume werden gefällt: die Stadt werde ihr Aussehen massiv verändern.
3. Die Neuordnung der Verkehrswege. Aus Sicht der BI werde damit bewusst eine ideologisch gesteuerte Verkehrswende herbeigeführt – ohne diese klar zu formulieren. »Wir wollen ein faires Miteinander der Verkehrssysteme, d.h. modernen ÖPNV und individuellen PKW-Verkehr. Wir wollen nicht, dass ein Verkehrssystem zulasten eines anderen durchgesetzt wird.« Der Bau der CityBahn sei aber die Entscheidung für das schienengebundene System zulasten des straßengebundenen Systems. Mit Blick auf Entwicklungen im Bereich der Verkehrssysteme, Stichwort autonomes Fahren, müsse man flexibel bleiben und verschiedene Optionen offen halten. In die Debatte würden zudem Themen hineingezogen, die nichts mit der CityBahn zu tun hätten, wie das mögliche Dieselfahrverbot. Die Wiesbadener Busflotte werde bis 2022 auf E-Busse umgestellt und bis dahin könne die City Bahn keine Entlastung bringen. »Der Zeitplan ist nicht zu halten, denn das Planfeststellungsverfahren ist erst für 2020 vorgesehen und die City Bahn wird nicht bis 2022 fertig gebaut sein«, meint Jöckel. Grundsätzlich sieht die BI die zugrunde gelegten Daten, wie Bevölkerungsentwicklung und Fahrgastprognosen skeptisch und möchte vor allem, dass Alternativen geprüft werden, statt die CityBahn als alternativlos darzustellen. »Wir haben eine Reihe von Vorschlägen gemacht, es ist nicht die Aufgabe einer Bürgerinitiative, Vorschläge zu prüfen. Dafür sind Politik und Verwaltung zuständig.« Grundsätzlich, so Jöckel, wollten die Bürger/-innen selbst entscheiden, welches Verkehrsmittel sie nutzen und nicht bevormundet werden. »Es ist legitim in einer Demokratie die Menschen zu überzeugen, nur muss dann klar gesagt werden, für uns hat der ÖPNV Vorrang, deshalb bauen wir die CityBahn. Das sagt aber niemand.«
| SOS