Am 15. April 2018 wird in Mainz ein Bürgerentscheid durchgeführt. Zur Abstimmung steht folgende Frage: »Soll das Gutenberg-Museum durch den Bau des »Bibelturms« am Liebfrauenplatz gemäß Beschluss des Stadtrates vom 08.02.2017 erweitert werden?«

Hintergrund des ersten Volksentscheids in Mainz ist folgender: Im Gutenberg-Museum gibt es seit Jahren sowohl baulich-funktional als auch hinsichtlich der Präsentation und Vermittlung dringenden Erneuerungsbedarf.

Ein Brandschutzgutachten zeigte erhebliche Mängel am Gebäude auf, die Stadt Mainz ist gefordert, die bestehenden Brandschutzmängel zu beheben. Zur Umsetzung der Brandschutzmaßnahme Gutenberg-Museum stehen 5.048.891 € zur Verfügung. Im Zusammenhang mit dieser Sanierung wurden Planungen für inhaltliche und bauliche Veränderungs- und Erweiterungsmaßnahmen in die Wege geleitet. Als Sieger eines Architektenwettbewerbs ging das Büro DFZ-Architekten aus Hamburg hervor. Die Vorplanung für diese, als ersten Bauabschnitts zur Erweiterung des Gutenberg-Museums, bezeichnete Sanierung, sieht die Errichtung eines eigenständigen Bauwerkes mit Unterbauung und Anbindung an das Bestandsgebäude vor. Der inzwischen als »Bibelturm« bezeichnete Neubau soll als sichtbares Schatzhaus mit hochwertiger Fassade die wertvollsten Exponate des Gutenberg-Museums beherbergen, insbesondere die beiden Gutenberg-Bibeln.

Zum »Bibelturm« gehört auch eine unterirdische Anbindung an den »Schellbau« im Bereich der heutigen Druckerwerkstatt. Eine Idee, mit dem »Bibelturm« verbunden, ist die Sponsorenwerbung zu befördern, die Trägerschaft des Museums neu zu ordnen, um so die weitere Modernisierung und Erweiterung des Museums finanzieren zu können. Der Mainzer Stadtrat entschied am 8. Februar 2017, auf der Basis dieser Vorplanung weiterzuarbeiten. Dagegen wehrt sich die Bürgerinitiative Gutenbergmuseum und forderte einen Bürgerentscheid – der aufgrund von Fristversäumnissen abgelehnt wurde, letztlich auf Antrag von Stadtratsmitgliedern am 7. Februar 2018 dennoch beschlossen wurde.

Argumente für den Bau

Die Bürgerinitiative »Freundeskreis Mainz für Gutenberg« setzt sich für die Realisierung des ersten Bauabschnitts zur Erweiterung des Gutenberg-Museums inklusive dem sogenannten »Bibelturm« ein. Begründung: »Das Museum und seine Sammlung brauchen einen angemessenen architektonischen Rahmen, der über die Grenzen der Stadt und die Grenzen unseres Landes hinauswirkt.« Der Freundeskreis kooperiert mit der Gutenberg Stiftung, agiert aber unabhängig und parteiübergreifend.

Ohne den Bibelturm fehle der gesamten Sanierung und Erweiterung des Gutenberg-Museums der entscheidende Punkt, schreiben die Befürworter in einer Pressemitteilung. Es gehe aber nicht nur um ihn, sondern um 400 qm Erweiterungsfläche, die im ersten Bauabschnitt entstehen soll, ohne den Liebfrauenplatz großflächig zu überbauen. Der Turm sei ein starkes Zeichen des Aufbruchs für ein Museum, das internationale Vergleiche nicht mehr zu scheuen brauche. Ohne den Turm als erstem Bauabschnitt sei das gesamte Konzept eines zeitgemäßen Museumsquartiers gefährdet, so Johannes Strugalla, der gemeinsam mit Henning von Vieregge als Sprecher des Freundeskreises fungiert. »Wenn tatsächlich nur in den Brandschutz des Haupthauses investiert würde, haben wir am Ende keinen Turm und kein Quartier, aber blitzsaubere Brandschutztüren in einem Museumsgebäude, das den Anschluss ans 21. Jahrhundert längst verpasst hat. Und das im Gutenberg-Jubiläumsjahr, während überall ‚Willkommen in der Gutenbergstadt‘-Schilder angebracht werden – welche Ironie!«

Nach Ansicht des »Freundeskreis« braucht das Gutenberg-Museum den Bibelturm: weil das Werk Gutenbergs und die erstklassige Sammlung des Gutenberg-Museums ein angemessenes Haus brauchen; damit künftige Besucher das Haus nicht suchen müssen, der Turm ist ihr Wegzeichen; weil für die Sanierung des Haupthauses eine Ausweichfläche gebraucht wird, nur wenn der Bibelturm während der Sanierung die wichtigsten Werke zeigen kann, bleibt eine mehrjährige Schließung erspart; weil die Ausstellungskonzeption aus den 1960er Jahren mit den Sehgewohnheiten des Medienzeitalters nicht mehr mithalten kann, Gutenberg war ein Medienrevolutionär, sein Haus dagegen ist veraltet; damit das Museum endlich die Zukunft bekommt, die seine Schätze längst verdient haben.
www.mainz-fuer-gutenberg.de

Abstimmung
Laut Mainzer Pressestelle sind 163.886 Mainzer/-innen am 15.4.18 stimmberechtigt (Stand: 15.1.18); der Bibelturm wird gebaut wenn mehr als 15% (mehr als 24.583) der Stimmen auf JA entfallen – und die NEIN-Fraktion in der Minderheit ist, z.B. 15,5% JA zu 15,2% NEIN. Wenn mehr als 15 % (mehr als 24.583) mit NEIN stimmen ist der Bau abgelehnt, sofern die JA-Seite in der Minderheit ist, z.B. 15,5% NEIN zu 15,2% JA). Für die Durchführung des Bürgerentscheids hat die Stadt 312.500 Euro bereitgestellt. Ab dem 13. März 2018 werden die Abstimmungs­benachrichtigungen versandt, das Briefabstimmungsbüro ist ab dem 19.3.18 geöffnet.

Argumente gegen den Bau

Die Bürgerinitiative Gutenbergmuseum fordert seit ihrer Gründung im April 2016 unter dem Leitsatz »Fragt die Mainzer«, allen Bürger/-innen die Möglichkeit einer echten Beteiligung einzuräumen. Was in anderen Bundesländern selbstverständlich sei, erklärt Thomas Mann, Gründer der BI-Gutenbergmuseum, sei hier von den Entscheidungsträgern konsequent blockiert und mit abwertenden Äußerungen zu Bürgerentscheiden begleitet worden. Erst aufgrund der mehr als 13.000 Unterschriften gegen das Projekt habe der Stadtrat eingelenkt, so Mann. »Nach den (Wunsch-) Vorstellungen der Bibelturm-Befürworter soll dieser hauptsächlich als Werbeträger zur Erhöhung der Spendenbereitschaft für das Gutenberg-Museum dienen und mehr Touristen nach Mainz locken. Er soll außerdem eine Ausweichfläche für den Museumsumbau bieten. Wir sind der Auffassung, dass die dargestellten Zwecke nicht erreicht werden. Touristen kommen nicht wegen eines großen, monolithischen Turms nach Mainz, sondern wegen der historischen Altstadt mit ihren Plätzen und Bauten. Dennoch will die Stadt für diesen Turm den schönsten und beliebtesten Platz in der Mainzer Altstadt mit 60 Jahre alten Bäumen opfern und ihn auf Jahre in eine Baustelle verwandeln. Nach einem solchen Kahlschlag würde die einzigartige Kulisse auf dem Liebfrauenplatz mit Dom und Marktständen unwiederbringlich verloren
gehen.«

Aus Sicht der BI-Gutenbergmuseum ist es unverantwortlich, sich angesichts knapper Kassen, einem maroden Rathaus und zahlreicher sanierungsbedürftiger Einrichtungen in ein solches Projekt zu stürzen. Bei der Bewahrung des Erbes Gutenbergs werde der »Bibelturm« nicht helfen. Wegen der höheren Unterhaltskosten werde er vielmehr die Sanierung des maroden Hauptbaus noch erschweren. »Die Befürworter verbreiten den falschen Eindruck, dass derjenige, der gegen den Bibelturm stimme, auch gleichzeitig gegen die Modernisierung des Museums sei«, so Mann.

Der Siegerentwurf von DFZ Architekten habe alternative Möglichkeiten zur Sanierung des Museums unterbreitet, der die Schätze des Museums gebührend in Szene setzen könne. Demnach könne der erforderliche Flächenbedarf allein durch die Modernisierung, Aufstockung und Erweiterung des Schell-Baus realisiert werden.
www.bi-gutenberg-museum.de

Kommentar

Im Grunde geht es nur ums Geld. Die Stadt hat keins, um die dringend erforderliche Erweiterung des Museums zu finanzieren. Das Land ist nicht bereit in die Bresche zu springen. Der Bund hält sich bedeckt. Private Sponsoren zu finden, die die auf mindestens 60 Mio. Euro geschätzten Kosten für Modernisierung und Erweiterung zahlen, finden sich nicht zuhauf. Insofern ist die Idee, mit einem imposanten Bauwerk ein Zeichen zu setzen und das Weltmuseum der Druckkunst in die Weltpresse zu bringen, nachvollziehbar. Ob das Konzept, damit die Erweiterung zu finanzieren, aufgeht, weiß niemand. Aber immerhin ist nach Jahrzehnten des Nichttuns eine Idee bis zur Baureife verfolgt worden. Was passiert, wenn die Mehrheit gegen den Bibelturm ist? Oder wenn das erforderliche Quorum nicht zusammenkommt, wenn nicht genügend Mainzer/-innen überhaupt abstimmen, nicht mindestens 23.583 für Ja stimmen? Die bisher für das Projekt erbrachten Planungsleistungen von rund 520.000 Euro wären wohl verloren, ein gänzlich neues Konzept müsste her. Hoffentlich spielen diese Fragen in den Diskussionen bis zum 15. April auch eine Rolle.

 

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