Staatstheater-Intendant Markus Müller hat es inszeniert, Hermann Bäumer, Chefdirigent und Generalmusikdirektor jubelt: Die Rheinische Philharmonie wird gebaut.
Lange schon ist das Dilemma mit dem Probenraum für die Musiker des Philharmonischen Staatsorchesters bekannt, der derzeitige Orchesterprobenraum ist einfach zu klein, die dadurch entstehende Lärmbelastung extrem groß. Der Zustand ist kaum zumutbar. In der letzten Spielzeit ist das Orchester daher für einige Monate ins Kurfürstliche Schloss ausgewichen, erzählt Intendant Markus Müller im Redaktionsgespräch. Zudem fehlen in Mainz ein Kammermusiksaal sowie ein geeigneter großer Konzertsaal. »Wir haben nun aber eine Lösung gefunden, die nicht nur unserem Orchester zugutekommt, sondern der ganzen Stadt. Auch finanziell«, so Müller.
Der Reihe nach. Michael Ebling, der Mainzer Oberbürgermeister ist Aufsichtsratsvorsitzender der Mainzer Staatstheater GmbH und kennt die Nöte der Kolleginnen und Kollegen um Intendant Müller und GMD Bäumer. Der SPD-Politiker ist selbst bestens vernetzt und setzt gleichzeitig auf die Eigeninitiative all derer, die in »seiner« Stadt etwas voranbringen wollen. Als Markus Müller vor zwei Jahren mit dem Vorschlag, eine Philharmonie in Mainz zu bauen, rausrückte, habe, so erinnert sich Müller heute, der OB gesagt: »Machen Sie mal!« Ebling schien sicher, Müller werde einen echten Mehrwert für Mainz schaffen.
Markus Müller hat gemacht. Ihm war klar, dass es für ein solches Projekt angesichts der desolaten Finanzsituation der Stadt einen langen Atem braucht – und viele Freunde und namhafte Unterstützer, bevor es der Öffentlichkeit vorgestellt werden kann.
In Zusammenarbeit mit dem Präsidenten der Mainzer Universität, Professor Dr. Georg Krausch, wurde zunächst geprüft, ob eine Erweiterung der Hochschule für Musik auf dem Uni-Gelände Sinn mache. »Seitdem die Mainzelbahn eine hervorragende Anbindung der Uni an Hauptbahnhof und Innenstadt gewährleistet, ist der Standort Uni-Campus auch für große öffentliche Veranstaltungen viel attraktiver geworden«, so Müller. Zudem suchten sowohl das Uni-, als auch das Alumni-Orchester weitere Proben- und Auftrittsräumlichkeiten.
Die perfekte Kulisse
Eine reizvolle Option, doch die beiden Herren kamen überein, dass ein neues Konzerthaus dieser Größenordnung am Rhein und in der Innenstadt seinen optimalen Standort fände. Dieses Ansinnen fand auch seitens des Zweiten Deutschen Fernsehens Unterstützung. ZDF-Programmdirektor Norbert Himmler war in die vorbereitenden Planungen und Gespräche eingebunden und es entstand die Idee, den ZDF-Fernsehgarten im Sommer auf dem Gelände des ZDFs durch ein »ZDF-Winterpalais« zu ergänzen, damit sowohl Zuschauer wie Gäste das ganze Jahr in den Genuss der Unterhaltungssendung kommen können. Dafür böte das Rheinufer die perfekte Kulisse. Allein, es fehlte der Platz am Mainzer Rheinufer.
Den hat Markus Müller gefunden: Die Rheinische Philharmonie wird am Standort des jetzigen Rathauses gebaut. Damit kann en passant auch das Thema »Rathaus und Sanierung« gelöst werden. Dass der Arne Jacobsen-Bau am Rheinufer aufgrund der maroden Bausubstanz offenbar nicht erhalten werden könne, findet Müller zwar architektonisch bedauerlich – freut sich, für diese prominente Stelle eine angemessene bauliche Lösung gefunden zu haben. Das denkmalgeschützte Interieur und die (wenigen) gut erhaltenen Elemente der Außenhülle, insbesondere intakte Fassadensteine, könnten dem Gebäude-Pendant des Mainzer Rathauses, der Kopenhagener Nationalbank als »Ersatzteillager« zur Verfügung gestellt werden – gegen Entgelt selbstverständlich. Zur Erinnerung: Jacobsen hatte das Nationalbank-Gebäude 1965 entworfen, ein Jahr bevor er das Mainzer Rathaus entwarf. Allerdings wurde das Gebäude in Kopenhagen erst 1978, sieben Jahre nach seinem Tod, fertiggestellt (das Mainzer Rathaus wurde am 31.12.1973 eingeweiht).
Als wichtige Initialzündung für das Projekt Philharmonie am Rhein bezeichnet Markus Müller den Tag der deutschen Einheit 2017. Im Zuge dessen konnte er sowohl mit der Bundeskanzlerin als auch mit der Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters, über das ambitionierte Projekt sprechen. Beide waren von der Begegnung mit der Puppenfigur Vater Rhein so beindruckt, dass sie sich von Mainz als würdigem Standort für eine »Rheinische Philharmonie« überzeugen ließen und zusagten, der Bund übernehme sowohl die Kosten für den Bau dieses Konzerthauses als auch die Entsorgungskosten für das Rathaus. Dann wurde der Intendant des Mainzer Staatstheaters durch die Verzögerung bei der Regierungsbildung seit Herbst 2017 auf eine harte Probe gestellt worden. Es schien nicht sicher, ob zu diesen weitreichenden Kostenzusagen auch eine neue Bundesregierung stehen werde. Nach der Vereidigung des neuen Kabinetts und der Entscheidung, dass Monika Grütters ihr Amt als Kulturstaatsministerin behalten wird, kann Müller Anfang April endlich mit der guten Nachricht an die Öffentlichkeit gehen. Zuvor hatte er sich noch der Unterstützung der Mainzer Politiker versichert. »Alle Fraktionsvorsitzenden im Mainzer Stadtrat sind, unter strengster Geheimhaltung, informiert und haben ihre Zustimmung signalisiert.«
Die Entscheidung, ausgerechnet das »Sydney Opera House« am Mainzer Rheinufer nachzubauen, begründet Müller wie folgt: »Die Architektur der Sydney-Oper ist weltbekannt, ihre Akustik unumstritten. Wir denken, dass wir damit in der Stadt eine hohe Akzeptanz erreichen.« Müller ist es gelungen, die Rechtsnachfolger des dänischen Architekten Jorn Utzon, der mit der Sydney Oper weltberühmt wurde, zu überzeugen, das Gebäude am Mainzer Rheinufer zu doubeln.
Wettbewerbsvorteil für Mainz
Glücklich über die Pläne sei auch August Moderer, Chef von MainzPlus Citymarketing, weiß Intendant Müller. Zum einen bestünden hervorragende Synergieeffekte mit der Rheingoldhalle und gute Chancen, damit im internationalen Kongressgeschäft den Wiesbadenern Paroli zu bieten. Die hätten zwar mit der im April anstehenden Eröffnung des neu gebauten »Rhein-Main-Kongresscenters« für das Kongress- und Veranstaltungsgeschäft mehr Quadratmeter zur Verfügung. Aber das Gebäude der Philharmonie in Mainz könne mit in das Portfolio der Rheingoldhalle einbezogen werden und biete so einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Wiesbaden.
In Erinnerung an die offizielle Eröffnung des Sydney Opera House am 20. Oktober 1973 fände Markus Müller es gut, auch die Rheinische Philharmonie in Mainz an einem 20. Oktober zu eröffnen. 2020 schon könnte das der Fall sein, meint Müller. Er ist davon überzeugt, dass der Bau deutlich günstiger als das Opernhaus in Sydney werde, da für Konzerte keine so teure Bühnentechnik benötigt würde. Allerdings werde das neue Gebäude über eine ganz besondere Fensterfassade verfügen: Bei Bedarf soll diese komplett zu öffnen sein und somit die Möglichkeit bieten, den gesamten Vorplatz und Außenbereich an den Konzerten teilhaben zu lassen. Ziemlich sicher ist, dass, wie in Sidney so auch in Mainz, Beethovens Neunte (passend zu seinem 250. Geburtstag 2020) mit der Ode an die Freude zur Eröffnung aufgeführt wird, deren Klang sich dann ungehindert ins Freie entfalten könne. GMD Hermann Bäumer schwärmt zudem von der Möglichkeit, die Konzerte des Philharmonischen Staatsorchesters Mainz aus dem großen Saal der Rheinischen Philharmonie per Live-Stream direkt in die ganze Welt zu übertragen.
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