Ab dem 1. Januar 2024 steigt die Mehrwertsteuer für Essen in der Gastronomie wieder auf 19 %; die Branche warnt vor einem Gastronomie-Sterben – warum?

Die Mehrwertsteuer für Speisen, die in Gaststätten verzehrt werden, war im Zuge der Corona-Hilfen von 19 auf 7 % abgesenkt worden. Wie geplant lief sie Ende 2023 aus, ab 1. Januar müssen die Gastronomen wieder 19 % an die Finanzämter weiterreichen. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA hatte 2023 in einer Kampagne darüber informiert, dass diese Anhebung ein »Restaurant-Sterben« in Deutschland zur Folge haben werde.

Gäste tragen Anhebung

Nach den Belastungen durch die Corona-Pandemie, den Preissteigerungen für Energie und Nahrungsmittel, den Auswirkungen der hohen Inflationsrate und der teilweisen Einschränkungen von Öffnungszeiten aufgrund von Fachkräftemangel mit entsprechenden Umsatzeinbußen könne die Branche die Anhebung der Mehrwertsteuer auf 19 % nicht auch noch verkraften, denn: die Erhöhung um 12 % müsse an die Gäste weitergereicht werden. In der Informationskampagne wies die DEOHOGA auch auf Widersprüchlichkeiten im Steuersystem hin. So werde frisch zubereitetes Essen in Restaurants mit 19% besteuert, während Essen zum Mitnehmen im Supermarkt oder bei Essenslieferungen mit 7 % besteuert werde. Die DEHOGA verwies zudem auf die Handhabung in anderen EU-Ländern: In 23 EU-Staaten gelte ein reduzierter Mehrwertsteuersatz auf Speisen in der Gastronomie.

Tatsache ist, Speis und Trank in den Gaststätten ist teurer geworden – wie alles, was gekauft werden kann. Dass aufgrund der Corona-Hilfen die Mehrwertsteuer für zubereitetes Essen in den Gaststätten reduziert wurde, hat sich in den Preisen für Schnitzel, Salat und Spundekäs nicht bemerkbar gemacht. Begründung der Gastronomen: Die allgemeine Preissteigerung habe diese Reduzierung komplett aufgefressen. Gleichzeitig beobachten die Wirtsleute einen Rückgang der Gästeschar und Zurückhaltung beim Bestellen eines zweiten Getränks oder dem Nachtisch – Umsatzeinbußen sind die Folge.

DER MAINZER hat sich in der Gastro-Szene umgehört.

Fatale Folgen

DER MAINZER: Herr Jordan, was bedeutet diese – lang angekündigte – Erhöhung für die gastronomischen Betriebe in Mainz und Rheinhessen?

Gerhard Jordan

Gerhard Jordan

Gerhard Jordan: »Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zum 1.1.2024 von 7 auf 19% wird für unsere gesamte Branche fatale Folgen haben. Aus

unseren Umfragen wissen wir, dass für Rheinland-Pfalz dies zu einem Aus für bis zu 1000 Betrieben, und damit einem Verlust von 5.000 Arbeitsplätzen führen wird. Rheinhessen und Mainz als eine touristische Destination wird dies besonders hart treffen.

Auf diese Gefahren haben wir als DEHOGA von Anfang an hingewiesen und bei vielen der politischen Entscheidungsträger – hier voran unser Bundeskanzler Scholz und unser Finanzminister Lindner – haben wir mit unseren Warnungen auch Gehör gefunden. Noch bis kurz vor der Verkündung des Bundesverfassungsgerichtsurteils am 15. November 2023 hatten wir eine breite Zustimmung in der Politik für die Beibehaltung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes über den 31.12.2023 hinaus. Insoweit handelt es sich jetzt nicht um eine »lang angekündigte« Steuererhöhung, sondern um einen für uns inhaltlich falschen und völlig unkontrollierten hektischen Reflex der Ampelregierung.«

Umsatzeinbußen

Werden die Restaurants die Erhöhung eins zu eins an die Gäste weitergeben können?

»Was heißt hier »können«? Die Restaurants haben gar keine andere Alternative als die 12% mehr an Mehrwertsteuer an den Endverbraucher – also an den Gast, wie im Übrigen auch den Bewohner einer Pflegeeinrichtung, den Arbeitnehmer in der Kantine sowie das Kind in der Kita und Schule – weitergeben zu müssen.

Nur wegen der Ermäßigung des Mehrwertsteuersatzes ist es unseren Kolleginnen und Kollegen bislang gelungen, die immensen Preissteigerungen bei Lebensmitteln und Energie nicht 1:1 an den Gast weitergeben zu müssen. Diese Spielräume sind nun ausgereizt.

Und nur um es klarzustellen: die Mehrwertsteuer ist für unsere Unternehmen ein durchlaufender Posten; von dem hat der Unternehmer rein gar nichts. Deshalb: jedes Prozent, das die Ampelkoalition zum 1.1.2024  erhöhen wird, bedeutet den direkten Griff in die Tasche unserer Gäste.«

Welche Auswirkungen erwarten Sie durch den Mehrwertsteuer-Satz von 19 Prozent auf Ihr Unternehmen?

»Auch unsere Gäste können nur die Mittel ausgeben, die ihnen zur Verfügung stehen. Die Inflation trifft uns alle und führt schon jetzt zu einer spürbaren Konsumzurückhaltung in vielen Wirtschafsbereichen. Sollte die Mehrwertsteuererhöhung tatsächlich kommen, dann müssen wir mit Umsatzeinbußen rechnen.

Weniger Umsatz erfordert für jeden Unternehmer – so auch für uns – dann eine noch stärkere Ausgabenüberprüfung und -bewertung. Eines ist jedenfalls klar: Umsatzrückgänge werden die Spielräume für Investitionen Richtung null fahren. Das hat dann auch Auswirkungen auf andere Wirtschaftsbereiche. Kurzum: die 7% auf Speisen muss bleiben.«

www.jordans-untermuehle.de

 

Abstriche machen

DER MAINZER: Herr Stein, was bedeutet es für Ihr Unternehmen, wenn die Mehrwertsteuer in der Gastronomie ab 1.1.24 wieder auf 19 Prozent angehoben wird?

Philipp Stein

Philipp Stein

Philipp Stein: »Die Erhöhung wird eine enorme Veränderung der Gastronomielandschaft herbeiführen. Unterm Strich wird die Steuer 1:1 weitergegeben und somit wird man einfach die 12% aufschlagen müssen. Auch wenn die 7% als Bonus für die Gastronomie verkauft wurden, haben diese lediglich steigende Energie, Lebensmittel und Personalkosten ausgeglichen.

Wir als alteingesessenes Unternehmen werden Abstriche machen müssen, jedoch werden wir es verkraften können. Am Ende sind die großen Gewinner Fastfoodketten und Lieferdienste, die bei Ihrem außer Hausverkauf weiterhin nur 7% zahlen. Die ganze Erhöhung wird zu Lasten von kleinen gutbürgerlichen Betrieben, Tierwohl und Nachhaltigkeit gehen.

Das ist traurig, aber Essenskultur hatte in Deutschland eben noch nie einen großen Stellenwert. Die letzten Jahre sind gute Bäckereien und Metzger gefallen wie die Fliegen, nächstes Jahr werden es die Restaurants sein.«

https://steins-traube.de

 

Ein sozialer Auftrag

Hafeneck SchildChristoph und Susi Kaster betreiben seit 25 Jahren die Gaststätte und Kneipe »Hafeneck« in der Mainzer Neustadt. Die meisten Gäste schätzen Susis Kochkünste sehr – der Essensanteil liege bei 40-50 %, sagt Christoph Kaster, genau darauf müsse er ab 1.1.2024 die erhöhte Mehrwertsteuer draufrechnen. Ob er die Erhöhung 1:1 an die Gäste durchreicht, ist noch offen: »Kneipen wie unsere haben doch auch einen sozialen Auftrag, hier kommen die Menschen zusammen, um gemeinsam zu essen – sollen die sich jetzt das gleiche Gericht, das als To-Go-Essen nur mit 7% besteuert wird, mit nach Hause nehmen und dort alleine essen, weil das billiger ist?«

Kaster hält diese unterschiedliche Besteuerung für absurd, zumal bei den To-Go-Essen viel Verpackungsmüll anfalle, dessen Entsorgungskosten von allen Gebührenzahler:innen zu tragen seien. Denkt Kaster an die sehr wahrscheinlichen Preiserhöhungen in der Gastronomie, fragt er sich: »Können wir die aufgerufenen Preise dann noch selbst bezahlen?« Und: »Warum werden Essen und Getränke in der Gastronomie, auch die Außerhaus-Gastronomie, nicht wie in Frankreich oder Italien durchgängig mit 10 % besteuert? Das würde so vieles vereinfachen!«

www.hafeneck.de

 

Preise nachvollziehen

Laura Schiel

Laura Schiel

Laura Schiel, Inhaberin des Restaurants Zum Goldstein in der Mainzer Altstadt, erläutert, es bleibe ihr nichts anderes übrig, als die Differenz zwischen dem aktuell geltenden Mehrwertsteuersatz von 7% und dem ab 1.1.24 geltenden Satz von 19% auf die Preise aufzuschlagen. Sie sieht angesichts der hohen Preise für Energie und Lebensmittel, die übertarifliche Bezahlung der Angestellten und dem Anspruch qualitativ hochwertige, möglichst regional und saisonal erzeugte Nahrungsmittel zu verwenden, keine Möglichkeit mehr, die Zusatzbelastung von 12 % abzufedern. Die Gastronomin wehrt sich gegen die Behauptung, die Preise für Speisen und Getränke seien in Gaststätten mehr angestiegen, als es die allgemeine Preissteigerung erforderlich gemacht hätte. »Auch wir Gastronomen arbeiten, wie jedes andere Unternehmen, mit klaren Kalkulationsmodellen, in denen die Gesamtkosten anteilig abgebildet werden und haben die Preissteigerungen entsprechend weitergeben. Mehr nicht!«

Schiel verweist auf die »Schnitzel-Debatte« im Sommer 2023. Dabei hätten Gastronomen ihre Kosten detailliert offengelegt, damit die Gäste die aufgerufenen Preise nachvollziehen können.

www.zum-goldstein.de

 

| SoS