Mainzer Radfahrforum, Gonsenheim setzt aufs Rad, Mapathon Mainz, Radnetz Mainz, fahrRAD Büro, Bypad, Stadtradeln – Ideen, Konzepte, Foren gibt es genug. Nur bei der Umsetzung geht es nicht voran.
Im Mainzer Verkehrsraum liegt einiges im Argen. Je nach Verkehrsmittel, das bevorzugt für den eigenen Transport benutzt wird, ist die Ansicht zu den Ärgernissen unterschiedlich. Autofahrende vermissen Parkplätze und mögen die Tempo 30-Zonen nicht, Zufußgehende erschrecken sich über Radelnde auf Bürgersteigen und in den »Fußgängerzonen«, die Fahrradfahrer:innen vermissen Strecken, auf denen sie zügig vorankommen. Wie auf der Route Hechtsheim-Innenstadt, ein Beispiel, das zeigt, es ist machbar.
Auf dem Foto: Wohl denjenigen, die wissen wo es langgeht. Wo geht es zur Innenstadt? Wo zur Uni? Hinweisschilder gib es keine, die den Weg vom Fahrradparkhaus am Westeingang des Mainzer Bahnhofs aus weisen.
Vorschläge für solche Radfahrrouten von anderen Stadtteilen in die Innenstadt hinein und durch die Innenstadt hindurch gibt es viele. Erinnert sei an das Konzept »Gonsenheim setzt aufs Rad« vom November 2020 und an das »Hauptradewegenetz für die Stadt Mainz«, das als Ergebnis des Mapathon Mainz im Frühjahr 2021 vom Mainzer Radfahrforum vorgestellt wurde. Die Konzepte wurden ehrenamtlich und mit viel Sachverstand erstellt.
Eigentlich, so denkt sich die Bürgerin, müsste doch längst klar sein, wie ein gesamtstädtsiches Mainzer Radwegekonzept auszusehen hat, müssten erste Maßnahmen in die Wege geleitet worden sein. Schließlich stehen Fördergelder von Bund und Land zur Verfügung. Die, werden sie nicht schleunigst abgerufen, verfallen.
Doch es tut sich nichts in Sachen Radwegekonzept. Und, so viel sei vorab verraten, es wird noch eine Weile dauern, bis sich etwas tut. Auf die Frage, wann wird das gesamtstädtische Radverkehrskonzept vorgestellt, antwortete die Mainzer Pressestelle:
»Die Erarbeitung des ‘Radnetz Mainz’ wird gemeinsam mit der neuen Team-Leitung des fahrRad Büros entwickelt. Sobald die Stelle (voraussichtlich im April 2022) wiederbesetzt ist, erfolgt die Ausschreibung des unterstützenden Büros, welches die Verwaltung bei der Ausarbeitung des Mapathon unterstützt. Dabei ist auch die Beteiligung interessierter Bürger:innen vorgesehen, sodass das ‘Radnetz Mainz’ gemeinsam mit dem externen Fachbüro, dem fahrRad Büro und der Öffentlichkeit entwickelt wird. Hierfür wird der Prozess des BYPAD Audits genutzt. BYPAD steht für »Bicycle Policy Audit«. Diesem Prozess liegt einerseits – in einem ersten Schritt – die Evaluierung und andererseits – darauf aufbauend – die Qualitätsverbesserung der kommunalen Radverkehrsförderung zugrunde. Auf Basis der damit zusammenhängenden Stärken-Schwächen-Analyse erfolgt also erst die Definition der Kriterien. Dabei beruht die BYPAD-Methode auf einem Transfer aus dem Qualitätsmanagement (wie es z.B. in der Wirtschaft längst Standard ist) auf den Radverkehr, um diesen zu stärken und nachhaltig zu verbessern.«
Langwieriges Verfahren
Das Verfahren sei mittlerweile etabliert und wurde in über 200 Kommunen in mehr als 20 Ländern angewandt, schreibt die Mainzer Pressestelle weiter. Die Untersuchungsschwerpunkte lägen neben den Ergebnissen der Radverkehrsförderung auch in der Einbettung in die politischen und administrativen Strukturen. Dafür würden Module unterschieden und deren Qualitäten einzeln bestimmt. Dies geschehe in Zusammenarbeit mit einem externen Moderator bzw. Auditor, der die Stärken-Schwächen-Analyse sowie die Qualitätsbewertung gemeinsam mit den Akteuren aus Politik, Verwaltung und Interessenvertretung erarbeite.
Das von Armin Schulz 2020 erarbeitete Stadtteilkonzept »Gonsenheim setzt aufs Rad« soll in diesem Verfahren integriert werden, erklärt die Mainzer Pressestelle auf Nachfrage. Beschlossen wurde die Durchführung eines Bypad-Audits vom Mainzer Stadtrat bereits im Sommer 2018. Damals regten die Erfolgsgeschichten aus Karlsruhe, das infolge eines erfolgreichen Bypad-Audits den Anteil des Radverkehrs auf 25 % steigern konnte, die Fantasie der fahrradfreundlichen Mainzer Politiker:innen an.
Nun könnte also vielleicht im zweiten Halbjahr 2022 ein Bypad-Verfahren in Mainz beginnen. In der Regel dauern die Verfahren sechs bis zwölf Monate und nach Vorlage des Abschlussberichts braucht es erst noch Planungen für konkrete Maßnahmen, die dann wiederum umgesetzt werden müssen.
Aufgrund dieses Zeitrahmens ist es unwahrscheinlich, dass die Stadt Mainz eine Teilfinanzierung von Maßnahmen des neuen Radverkehrskonzepts über das Sonderprogramm »Stadt und Land« (S&L) im Rahmen des Klimaschutzprogramms 2030 der Bundesregierung erhält. Bedingung für die 90%-Förderung durch den Bund und das Land Rheinland-Pfalz ist, dass die entsprechenden Maßnahmen bis 31.12.2023 abgeschlossen, heißt: umgesetzt sind. Dazu müssten aber erst einmal Maßnahmen vorgeschlagen und zur Förderung angemeldet sein. Was nicht der Fall ist. Es mangelt an Personal. Nach dem Wechsel der Mainzer Radfahrbeauftragten Franziska Voigt ins Dezernat für Umwelt und Verkehr wird im fahrRAD-Büro voraussichtlich im April 2022 eine neue Teamleitung die Arbeit aufnehmen, kündigt die Mainzer Pressestelle an. Derzeit arbeiteten zwei Mitarbeiter:innen im fahrRad Büro, die im Laufe des Jahres durch zwei weitere ergänzt werden sollen, sodass künftig insgesamt fünf Personen Vollzeit zu den Schwerpunkten Radverkehrsstrategie, Radverkehrsplanung, Kommunikation & Öffentlichkeitsarbeit sowie Radparken arbeiten.
Das alles dürfte bei der Webex-Konferenz »Runder Tisch Radverkehr« am 28. April 2022 zur Sprache kommen.
Zwischenzeitlich hat die Bürgerinitiative MainzZero ein 80-seitiges Konzept »Verkehrswende jetzt! – Bausteine für ein Mainzer Mobilitätskonzept« ausgearbeitet. Das MainzZero-Konzept basiert u.a. auf dem »Mapathon-Plan – Ein Radwegenetz für Mainz«.
Auch das ist ein detailliertes Konzept für ein gesamtstädtisches Radwegekonzept – wie viel ehrenamtliche Arbeit braucht es noch, bis z.B. das Fahrradparkhaus am Bahnhof West endlich an einen sicheren Radweg in Richtung Innenstadt angebunden ist (siehe Foto)?
Stadtradeln mit Rekordergebnis
Seit März können sich Städte und Kreise zur Stadtradel-Aktion 2022 anmelden. Die Kampagne STADTRADELN wird jährlich im Zeitraum 1. Mai bis 30. September durchgeführt, jede Kommune bestimmt den genauen Zeitpunkt selbst. Beim Stadtradeln 2021 hatte eine »Stadtwette« den Wettbewerb unter den Kommunen um die meisten geradelten Kilometer zusätzlich angeheizt. Die Mainzer:innen schafften mit 491.899 Gesamtkilometern ein Rekordergebnis und erradelten sich als Gewinne u.a. drei Reparaturstationen in der Stadt und zusätzliche 100 Radbügel. Leider konnten diese beiden Gewinne bislang nicht in die Tat umgesetzt werden, schreibt die Mainzer Pressestelle, denn:
»Neben der erschwerten Personalsituation im fahrRad Büro kam es bei der Lieferung der Reparaturstationen und der Radbügel aufgrund der bekannten Corona-Engpässe zu Lieferschwierigkeiten. Die Verwaltung rechnet jedoch mit der Bereitstellung durch die Hersteller im Laufe des März 2022, sodass anschließend mit der Installation im Stadtraum begonnen werden kann.«
Aufgrund der Corona-Pandemie mussten 2021 auch die beiden Gewinnstufen »Sunday ParkingDay« auf der Rheinstraße und »Straßenfest Am Graben/Hopfengarten« abgesagt werden. Vorgesehen ist, beide Aktionen im Stadtradeln-Zeitraum vom 10. bis 30. September 2022 durchzuführen.
Ausblicke
MainzZero bietet am 2. April einen »Klimaspaziergang« durch die Mainzer Neustadt an, in dem es auch um das Miteinander verschiedener Verkehrsarten geht; Treffpunkt: 14 Uhr an der Feuerwache, Rheinallee 131.
Am 10. April 2022 kann der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club e.V. (ADFC), KV Mainz-Bingen wieder eine Mainzer Fahrradbörse ausrichten. An- und Verkauf sowie Tausch von gebrauchten Fahrrädern, Fahrradteilen und -zubehör ist von 10:30 bis 14 Uhr auf dem Gelände der Alten Ziegelei in Bretzenheim möglich. www.mainz-bingen.adfc.de
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