Das 9-Euro-Ticket könnte in diesem Sommer Viele bewegen, die ÖPNV-Angebote auszuprobieren. Ob diese »Neukunden« zu »Dauerkunden« werden, ist zweifelhaft.
Als »ein positives Signal aus Berlin« bezeichnen Jochen Erlhof und Beritz Schmitz das 9-Euro-Ticket. Die beiden Geschäftsführer:innen der Mainzer Mobilität (MM) erläuterten bereits Anfang Mai die Modalitäten für dieses außergewöhnliche Monatsticket, in Erwartung einer positiven Finanzierungsentscheidung durch den Bundesrat am 20 Mai 2022.
Erlhof und Schmitz sehen das 9-Euro-Ticket als Einstieg zum Umstieg. »Wir werden sicher nicht alle und auch nicht die Mehrzahl der 9-Euro-Ticket-Kundschaft davon überzeugen, sich ab September eine Wochen- oder Monatskarte zu kaufen« meint Erlhof. Aber bestimmt würden manche, ob des guten Angebots der Mainzer Mobilität, doch auf Dauer zum Abo greifen oder wenigstens ab und an mit Zeit- und Sammelkarten Bus und Bahn benutzen. Kollegin Schmitz ergänzt, viele hätten die Erweiterungen im Liniennetz der Mainzer Bahnen und Busse noch nicht richtig wahrgenommen und könnten nun für wenig Geld ausprobieren, wie es ist, z.B. mit dem Bus von der Mainzer Innenstadt bis in den Stadtteil Ebersheim oder bis nach Nieder-Olm zu fahren. »Für ein gutes Angebot, und das haben wir, sind auch Viele bereit, nach dem Ende des 9-Euro-Tickets mehr Geld zu zahlen«, ist Beritz Schmitz überzeugt.
Die Befürchtung, dass es in Mainz von Juni bis August 2022 einen Massenansturm auf Busse und Bahnen geben könnte, hegen Erlhof und Schmitz nicht. Zum einen sei die aktuelle Auslastung geringer, als vor der Corona-Pandemie. In diesem Frühjahr nutzten 20-30 % weniger Fahrgäste Busse und Bahnen der Mainzer Mobilität als vor Beginn der Pandemie 2019.
Entlastung für hohe Energiepreise
Zum anderen seien u.a. wegen der Sommerferien für die Schüler:innen und der Semesterferien für die Studierenden jedes Jahr in den Sommermonaten weniger Fahrgäste zu befördern. Insofern sei die Gefahr, dass die Mainzer Mobilität an ihre Kapazitätsgrenzen komme gering, sagen die beiden Geschäftsführer:innen. Sie verhehlen nicht, dass es Kapazitätsgrenzen gibt. Mehr Busse und Straßenbahnen kann das Mainzer Verkehrsunternehmen nicht aus dem Hut zaubern, um eventuelle Massen von Fahrgästen, die mit dem 9-Euro-Ticket unterwegs sind, zu transportieren. Außerdem haben auch Mitarbeitende der Mainzer Mobilität Urlaub in den Sommerferien. Selbst wenn mehr Busse und Bahnen zur Verfügung stünden: wer soll sie fahren?
Im Rahmen des Energie-Entlastungspakets II der Bundesregierung sollen die Bürger:innen mit dem 9-Euro-Ticket als günstiges Mobilitätsangebot für den ÖPNV und den Regionalverkehr von den hohen Energiepreisen entlastet werden. Für die zu erwartenden Einnahmeausfälle stellt die Bundesregierung der ÖPNV-Branche Finanzmittel von insgesamt etwa 2,5 Milliarden Euro in Aussicht. »Es ist tatsächlich ein auskömmlicher Betrag«, sagt MM-Geschäftsführer Erlhof, auch wenn der Anteil, den die Mainzer Mobilität davon erhalten wird, noch nicht beziffert werden kann.
Das 9-Euro-Ticket als »Riesenchance«?
Bundesverkehrsminister Volker Wissing hatte das 9-Euro-Ticket als eine »Riesenchance« bezeichnet. Es könne nun in einem »bundesweiten Feldversuch« die Frage, ob der Preis oder das Angebot wichtiger seien, um mehr Menschen zur ÖPNV-Nutzung zu animieren, beantwortet werden. Die Geschäftsführung der Mainzer Mobilität äußert sich dazu verhaltener: Es sei klar, dass in den Ferienmonaten Juni, Juli, August weniger Menschen Adressaten für einen Umstieg vom Auto in den ÖPNV seien. Allerdings seien sie als Geschäftsführung der Mainzer Mobilität die falschen Ansprechpartner:innen um die Frage, ob der Zeitpunkt für diesen Test gut gewählt sei, zu beantworten.
Erlhof erinnert in dem Zusammenhang an die Erfahrungen der Stadt Wien. Hier wurde zuerst das Linien-Netz umfangreich erweitert, was zu einem massiven Anstieg der Fahrgastzahlen geführt habe. Nach der Einführung des 365-Euro-Jahresticket 2012, sei die Anzahl der Fahrgäste nur noch um wenige Prozentpunkte angestiegen. Zu bedenken gibt Erlhof auch, dass für einen »Feldversuch«, in dem getestet werden soll, ob Preis oder Angebot der entscheidende Faktor für den Umstieg vom Auto auf den ÖPNV sei, der Preis von 27 Euro für drei Monate, im Verhältnis zu 365 Euro im Jahr, zu niedrig ist.
| SoS
Details zum Mainzer 9-Euro-Ticket:
www.mainzer-mobilitaet.de/tickets-und-tarife/9-euro-ticket#