Wenn auf Bürgersteigen, Plätzen und beampelten Kreuzungen etwas Rosafarbenes auftaucht, könnte es gefährlich werden. Manche Fahrer:innen des Lebensmittel-Bringdienstes FLINK brettern ohne Rücksicht durch Mainz. Warum?

Vor die Kameralinse haben wir noch keinen bekommen. Sie sind in der Tat zu flink. Die Fahrer:innen, Rider genannt, des Lebensmittel-Bringdiensts FLINK. Wobei wir auch kein Standbild machen wollen, sondern fotografisch dokumentieren, wenn die Damen und Herren gegen Verkehrsregeln verstoßen. So wie viele andere auch. Nur: bei diesen Lieferdiensten stellt sich immer auch die Frage, ist die Missachtung von Verkehrsregeln Teil des Geschäftsprinzips? FLINK-Fahrer:innen, die durch die Fußgängerzone und über Bürgersteige flitzen, entgegen der Fahrtrichtung unterwegs sind, Autofahrer:innen zum Bremsen zwingen, weil sie bei Rot über die Ampeln fahren: Leider sind das keine Einzelfälle. Viele Mainzer:innen beobachten solche Vorfälle.

Konkurrenz unter Lebensmittel-Bringdiensten

FLINK operiert seit Mitte 2021 in Mainz. Laut Web-Infos wurde der Lebensmittel-Bringdienst im September 2020 in Berlin gegründet, wenige Monate nachdem «Gorillas«, ebenfalls ein Lebensmittel-Bringdienst an den Start ging. Hinter FLINK stehen Julian Dames, Christoph Cordes und Oliver Merkel. Alle waren bereits zuvor in der Plattform-Ökonomie tätig. Bestellen und bezahlen funktioniert bei FLINK ausschließlich über die App. Laut Webseite werden Lebensmittel, inklusive frischem Obst und Gemüse zu Supermarktpreisen nach Hause geliefert – innerhalb von Minuten von den Fahrer:innen. Die erhalten laut Webseite ein «Marktkonformes Gehalt« (12 Euro/Stunde), eine professionelle Ausrüstung, darunter ein E-Bike, einen «unbefristeten Vertrag« und eine «Personalisierte Schichtplanung«. Um herauszufinden, ob die Beobachtungen von häufigem verkehrswidrigen Verhalten der FLINK-Fahrer:innen zutrifft haben wir bei FLINK nachgefragt. Die Antworten schickte uns FLINK-Pressesprecher Simon Birkenfeld.

Strikte Anweisungen bei diesem Lebensmittel-Bringdienst?

MAINZER: Werden die Flink-Fahrer:innen darauf hingewiesen, dass sie Verkehrsregeln einzuhalten haben?
Birkenfeld: »Unsere Mitarbeiter werden ausführlich in den Bereichen Arbeits- und Verkehrssicherheit unterwiesen. Unsere Kuriere haben die strikte Anweisung, die Verkehrsregeln jederzeit zu befolgen. Die Sicherheit unserer Angestellten und Verkehrsteilnehmer hat für uns oberste Priorität.«

MAINZER: Flink verspricht, Waren innerhalb von 10 Minuten bei der Kundschaft abzuliefern. Wie gelingt das, wenn die Fahrer:innen in der Innenstadt (Große Langgasse) starten und bis Gonsenheim oder Hechtsheim fahren müssen?
Birkenfeld: »Unsere Lieferzeiten werden für unsere Konsumenten immer transparent und realistisch in der App angezeigt. Bei besonders großer Nachfrage und / oder Lieferungen am Rande unseres Liefergebietes passen wir auch unsere Lieferzeiten an und geben den Kundinnen und Kunden sehr transparent schon eine angepasste Lieferzeit in welcher sie mit ihrer Bestellung rechnen können. Unsere Kunden sehen so stets eine realistische Lieferzeit und werden stets innerhalb der App bei Verspätungen informiert.«

MAINZER: Werden Flink-Fahrer:innen, die ihre Waren nicht innerhalb der vorgegebenen Zeit bei der Kundschaft abliefern, bestraft? Z.B. durch Gehaltsabzug? Und: Auf der Flink-Webseite heißt es, die Fahrer:innen erhalten 12 Euro pro Stunde. Erhalten Sie diesen Lohn auch, wenn sie an der Zentrale warten müssen oder nur, wenn sie unterwegs sind, Waren zur Kundschaft bringen?
Birkenfeld: »Unsere Mitarbeiter stehen in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis und werden auf Basis der geleisteten Stunden im Rahmen der Schichten bezahlt. Bei uns erfolgt die Bezahlung unabhängig davon ob es während einer Schicht viel oder wenig zu tun gibt.« Und auf Rückfrage, unterstrich er noch einmal: «All unsere Rider sind verpflichtet, sich an die geltenden Verkehrsregeln zu halten und umsichtig am Verkehrsgeschehen teilzunehmen.«
Warum nur machen es dann nicht alle?

Persönliche Verantwortungslosigkeit?

Die Nachfrage bei der Mainzer Polizei, ob Unfälle mit FLINK-Radler:innen erfasst seien, führte zu keinen Ergebnissen. Laut Polizeipressesprecher Rinaldo Roberto werden als Unfallbeteiligte grundsätzlich lediglich Radfahrer erfasst und nicht die Unternehmen, bei denen die Radelnden beschäftigt sind. Was, so unterstreicht Roberto, bei Unfällen mit PKW oder LKW genauso gehandhabt werde. Auf die Nachfrage beim DGB, bzw. bei ver:di, ob es seitens der FLINK-Mitarbeiter:innen Beschwerden über die Arbeitsbedingungen gebe, sagte DGB-Sprecher Alexander Graßhoff, der Gewerkschaft sei dazu nichts bekannt.
Im Juni 2021 kam es bei einem Mitbewerber von FLINK, dem Lieferdienst «Gorilla« in Berlin zu spontanen Streiks der Mitarbeiter:innen, die unrechtmäßige Kündigungen, andauernden Druck und unsichere Lohnzahlungen beklagten. Das Thema «Arbeitsbedingungen bei Lieferdiensten« spielte in der Medienlandschaft für kurze Zeit eine Rolle, bevor es wieder in der Versenkung verschwand.

Beim  Lebensmittel-Bringdienst FLINK scheint jedenfalls alles prima. Dass manche von den FLINK-Mitarbeiter:innen wir irre durch die Stadt rasen und sich nicht um Verkehrsregeln scheren, ist wohl nur deren ganz persönlicher Verantwortungslosigkeit anzulasten.

Marion Diehl (SoS)
Hinweis: Christoph Cadenbach widmet sich im „Süddeutsche Zeitung Magazin“ vom 31. März 2022 den Arbeitsbedingungen von Lebensmittel-Lieferdiensten

 

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