Die Einführung von Tempo 30 entlang der Mainzer Rheinachse am 1. Juli 2020 war verbunden mit der Absicht, die Ampelschaltung anzupassen und eine »Grüne Welle« in Mainz zu etablieren.

Seit gut einem Jahr gilt auf der Rheinachse, von der Holzhofstraße bis zum Kaiser-Karl-Ring, Tempo 30. Die Maßnahme 60 in der Fortschreibung des Mainzer Luftreinhalteplans 2016-2020, sollte vor allem dazu beitragen, ein Dieselfahrverbot in Mainz zu umgehen. Laut  Studien des Umweltbundesamts (UBA) führt Tempo 30 zu einer Reduzierung der Abgasemissionen, wenn es mit begleitenden Maßnahmen zur Verkehrsverstetigung eingeführt und kontrolliert wird. Als eine der »Begleitenden Maßnahmen« ist die Kombination der Tempo 30-Regelung auf der Rhein­achse mit einem Tempolimit Kaiserstraße/Parcusstraße zu verstehen. Im Grunde ist die Mainzer Innenstadt von der Parcusstraße und Kaiserstraße, über die Rheinallee und Rheinstraße, bis zur Binger Straße als Tempo-30-Zone ausgeschildert. Auch in Quintinsstraße, Ludwigsstraße, Schillerstraße und Bauhofstraße gilt Tempo 30.

Optimierte Anpassung heißt: Grüne Welle

Eine weitere »Begleitende Maßnahme« ist die »Verstetigung des Verkehrs«. Dazu zählt die »optimierte Anpassung der grünen Welle auf die neue Geschwindigkeit«. Autofahrer:innen entlang der Rheinachse berichten, sie würden an Wochentagen von Weisenau kommend, in Richtung Kaisertor fahrend, spätestens an der Ampel Hilton anhalten müssen – obwohl sie konsequent 30 km/h fahren. Führen sie schneller, zwischen 40 und 50 km/h, kämen sie dagegen oft auf der gleichen Strecke bis zur Ampel Kaisertor. Ähnliches wird aus der Gegenrichtung berichtet: von der Zwerchallee kommend, Tempo 30 fahrend sei bereits an der Ampel Goethestraße der erste Rot-Halt angesagt, wer schneller fahre, komme dagegen bei Grün über die Ampel. Andere Autofahrer:innen berichten, an Samstagen gelänge es ihnen  vormittags von der Mainzer Universität kommend bis zur Kreuzung Wormser Straße/Hohlstraße, ohne Stopp vor einer roten Ampel durchzufahren, wenn sie zwischen 30 und 35 km/h fahren. Rückwärts, dann aber Samstagsnachmittags, das gleiche noch einmal. Wochentags Pech und am Samstag Glück gehabt?

Signalanlagen an Tempo 30 anpassen

Es scheint komplizierter. Die Pressestelle schreibt auf eine entsprechende MAINZER-Anfrage: »Im Rahmen der Anordnung der Tempo 30-Regelung auf der Rheinallee und Rheinstraße wurde auch die »Grüne Welle« der Signalanlagen an die neue Geschwindigkeit angepasst. Eine »Grüne Welle« setzt voraus, dass die Signalanlagen alle im gleichen Sekundentakt schalten. Damit kann mit der zulässigen Geschwindigkeit und dem Abstand zwischen den Knotenpunkten der Versatz der Grünzeit zu den folgenden Signalanlagen berechnet werden.

Eine »Grüne Welle« lässt sich aber selten in beiden Fahrtrichtungen realisieren. Deshalb wird in Mainz entsprechend der Hauptverkehrsrichtung am Morgen die »Grüne Welle« vorrangig in Richtung Innenstadt und am Abend stadtauswärts geschaltet. An einigen Knotenpunkten müssen aber aufgrund des geringen Abstands zur nächsten Signalanlage Kompromisse gemacht werden, damit es nicht zu einer Überstauung kommt. Zudem können die Busse per Vorrangschaltung Grünzeiten anfordern oder verlängern, was sich unter Umständen negativ auf die »Grüne Welle« auswirkt. Die Grünzeit für die Fahrzeuge der Hauptrichtungen ist zudem nicht an allen Knotenpunkt gleich lang. Dies hängt davon ab, wie hoch der Grünzeitbedarf der Seitenrichtungen/-Fußgänger ist. Damit und durch die nicht immer optimale Versatzzeiten kann an einer folgenden Signalanlage noch grün geschaltet sein, obwohl man anhalten muss.»

Schneller als Tempo 30 wird teuer

Was hier eher technisch formuliert ist, scheint logisch: Es sind außer denen, die auf der Rheinachse mit Fahrzeugen unterwegs sind noch solche unterwegs, die auf die Rheinachse ein- oder von ihr abbiegen, die als Bus Vorrang haben und die als Zufußgehende die Straße queren wollen. Jede »Grüne Welle« kann (und muss) durch andere Verkehrsteilnehmer:innen unterbrochen werden, sonst fließt der Verkehr auf der Rheinachse und alles andere steht still. Denjenigen, die meinen, Grünphasen erzwingen zu müssen, indem sie aufs Gaspedal treten, um mit 40/ 50 km/h die nächste grüne Ampel noch zu schaffen, drohen Verwarnungsgelder. Seit Einführung von Tempo 30 auf der Rheinachse am 01.07.2020 wurden bis zum 30.06.2021 insgesamt 13.842 Verwarnungen erteilt.

Die Verwarngelder für diesen Zeitraum betragen 256.342,65 €. Außerdem: Tempo 30 in der Mainzer Innenstadt wurde eingeführt, um die Grenzwerte für Stickoxid zu senken, um die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer:innen zu erhöhen und den Straßenlärm für die Anwohner:innen zu mindern. Drei Fliegen mit einer Klappe geschlagen – wenn sich alle daran halten würden.

Marion Diehl (SoS)