Hier begann die Geschichte der Mainzer Saalfastnacht, hier diskutierten Liberale und Demokraten im Vorfeld der Revolution von 1848/49: Im Frankfurter Hof in Mainz. Vor 30 Jahren, am 10. März 1991 begann seine Geschichte als außergewöhnlicher kultureller Veranstaltungsort.
Der Corona-bedingte Einschnitt im Veranstaltungsprogramm ist krass. Absagen, verschieben, wieder absagen, wieder verschieben. Aber das Frankfurter Hof-Team gibt nicht auf. »Wir wissen, dass die Menschen nach Live-Veranstaltungen lechzen und wir gehen davon aus, dass nach der Pandemie unsere Veranstaltungen wieder gut angenommen werden.« Verena Campailla-Heinz ist die Programmplanerin im Frankfurter Hof. 2019, im September trat sie die Nachfolge von Ludwig Jantzer an, der fast 30 Jahre lang für das Programm im Frankfurter Hof verantwortlich war. Parallel dazu organisiert das kleine agile Team, in dem Verena Campailla-Heinz seit 2011 mitwirkt, die legendären Summer in the City-Konzerte.
Weltstars wie Peter Gabriel, Sting, Gianna Nannini, David Gilmore, Green Day, Paul Simon, Miriam Makes, Norah Jones, Neil Young, Elton John, Amy McDonald, Patti Smith oder Bob Dylan und Joan Baez traten im Volkspark, auf der Nordmole und der Zitadelle in Mainz auf. Das Herzstück der Kulturarbeit aber war und ist der Frankfurter Hof. Durchschnittlich 150 Vorstellungen pro Jahr mit einer in der Rhein-Main-Region ziemlich einmaligen kulturellen Vielfalt. Bei Konzerten etwa mit Künstler/-innen aus Griechenland, Frankreich, Spanien, Italien, Portugal, Spanien, Türkei oder aus Afrika kommen immer wieder exklusive Stars ihrer Heimatländer nach Mainz in den Frankfurter Hof. »Unsere programmatischen Schwerpunkte waren und sind Weltmusik für und mit migrantischen Gruppen«, sagt Campailla-Heinz und: »Das ist in der Region ein Alleinstellungsmerkmal, ob seiner Bandbreite in den verschiedenen Sparten von Tanz über Musik und Kleinkunst bis zu Lesungen.«
Kultur via Stream
Das Publikum zu Flamenco mit Tomatito y Grupo (geplant am 10.10.21) Fado mit Ana Moura (geplant am 31.10.21) oder Irish Folk-Festivals und Musik aus Afrika kommt nicht nur aus Mainz und dem Rhein-Main-Gebiet sondern aus ganz Deutschland. Das gleiche gilt für Jazz, Kleinkunst, Lesungen, Rock/Pop und Klassik, die nationalen und internationalen Stars machen den Frankfurter Hof weit über Mainz hinaus bekannt. Grundlage dieses Konzeptes ist der enge Kontakt zur lokalen und regionalen Kulturszene, den Ludwig Jantzer aufgebaut hat und den Verena Campailla-Heinz ausbaut – insbesondere mit Blick auf das jüngere Publikum: »Wir erfahren von neuen Künstler/-innen, die Agenturen haben Vertrauen zu uns und vermitteln uns Stars, mit hohem nationalem und internationalem Bekanntheitsgrad.«
So steht der Frankfurter Hof als ein Synonym für herausragende Veranstaltungen in Mainz – die aber auch im Kurfürstlichen Schloss, in der Mainzer Rheingoldhalle oder im Wiesbadener Kurhaus und auf dem Mainzer Messegelände stattfinden können: »Wir haben den großen Vorteil uns aus vielen Locations diejenigen aussuchen zu können, die am besten passen«, sagt Campailla-Heinz. Anfang 2012 wurde der Frankfurter Hof in die mainzplus CITYMARKETING GmbH eingegliedert, unter deren »Dach« kann die Programmplanerin auf viel Mainzer Veranstaltungsorte zugreifen und bei Bedarf die Kooperation mit Veranstaltern in Wiesbaden und Ingelheim managen.
Corona-Pause
Seit März 2020 ist Corona-bedingt Sendepause an allen Veranstaltungsorten, so auch im Frankfurter Hof, allerdings nicht ganz. »Wir haben uns gefragt, was können wir in dieser Zeit den Menschen anbieten – und uns ist einiges eingefallen«, sagt Campailla-Heinz. Seit Januar beherbergt der Frankfurter Hof ein Streaming Studio – »das wir ganz schnell abbauen können, sobald Live-Veranstaltungen wieder möglich sind.« Der Programmplanerin ist anzuhören, dass sie sich auf Kultur-Erlebnisse ohne Bildschirm freut. Vorerst aber, bis voraussichtlich Herbst 2021 kommt Kultur aus dem Frankfurter Hof via Stream in die Wohnzimmer. »Wir wollen ein bisschen Normalität in den Alltag bringen und die Mainzer Kultur wieder erlebbar machen«, sagt Campailla-Heinz. In Kooperation mit der Club-Tanzschule Willius Senzer wird beispielsweise Kindertanzen angeboten, um die Kinder zuhause einmal anders zu bespaßen. Als Ausgleich dürfen dann in den Abendstunden die Eltern vor dem Bildschirm das Tanzbein schwingen.
Kleines Summer in the City-Feeling
Mit dem Start ins Frühjahr sollen zudem wieder »richtige« Veranstaltungen in den Mainzer KulturGärten im Schloss und im KUZ beginnen – unter strikter Einhaltung der dann geltenden Corona-Verordnungen. Das Format wurde 2020 aus der Taufe gehoben, als Ersatz für die abgesagten Summer in the City-Konzerte. Wolfi Klein & friends, Denis Wittberg und seine Schellacksolisten, Tobias Mann – lokalen, regionalen Künstlern werden Auftrittsmöglichkeiten geboten. Ab Juni soll auch die Mainzer Zitadelle wieder bespielt werden, die Konzertreihe »Kultur verbindet-Zitadelle live« geht in die zweite Runde. Initiiert wird dieses Kulturprojekt vom Kulturdezernat der Landeshauptstadt Mainz in Zusammenarbeit mit dem Frankfurter Hof und dem Kulturbereich der mainzplus CITYMARKETING GmbH.
»Es wird ein kleines Summer-in-the-City-Feeling«, freut sich Campailla-Heinz auf Let’s Burlesque, Lisa Eckart, Dota, Mundstuhl, Worst of Chefkoch, Ben Redelings und andere. »Auf der Zitadelle, an einem milden Sommerabend endlich mal wieder den Lieblingskünstler live erleben – das ist doch was!« Die Programmchefin ist überzeugt, das Bedürfnis nach Live-Erlebnissen wird die Menschen wieder von den Sofas herunter holen. Klar, die Hygienekonzepte müssen stimmen – das zeigt die Erfahrung vom Sommer 2020: »Wenn sich die Menschen sicher fühlen, merken, hier werden die Regeln eingehalten, dann kommen sie auch.« Noch befinden wir uns aber in einer Art »Zwischenzeit« – die aktuellen Veranstaltungen sind entweder abgesagt oder verschoben: »Wir bauen aber darauf, dass wir ab Spätsommer wieder in unser normales Programmgeschehen einsteigen können und darauf bereiten wir uns vor, also versuchen wir möglichst viele Veranstaltungen in den Herbst oder ins kommende Jahr zu verschieben.«
|Marion Diehl (SoS)
www.frankfurter-hof-mainz.de
Von der Narhalla zum Kulturtempel
Dass es ihn überhaupt noch gibt ist ein kleines Wunder – eines an dem die Mainzer Bürger/-innen tatkräftig mitgewirkt haben. Abreißen wollte die Mainzer Politik das marode Gebäude, die Mainzer/-innen verwiesen auf die politisch-fastnachtlichen Traditionen und setzen sich durch: 1991, am 10. März feierte der Frankfurter Hof seine Wiedereröffnung.
Das charakteristische Gebäude zwischen Augustiner- und Schönbornstraße in der Mainzer Altstadt, war Mitte des 19. Jahrhunderts ein Gasthaus, dessen Wirt einen Versammlungssaal in Bruchstein und Ziegelmauerwerk anbaute. Am 14. November 1841 wurde er als »Narhalla-Bau« vom Mainzer Carneval Verein eingeweiht. Fortan spielte der Frankfurter Hof als Versammlungsort der neuen Fastnachtsvereine der reformierten Fastnacht eine Rolle und diente, bis 1884 die Stadthalle fertiggestellt war, auch der engagierten Bürgerschaft für politische Veranstaltungen: Hinter verschlossenen Türen wurden Ansätze der Revolution von 1848/49 diskutiert. Ferdinand Lassalle und Ludwig Bamberger hielten hier Vorträge.
In den 1980er Jahren standen das Gebäude und seine Nutzung zur Disposition – der Mainzer Stadtrat wollte den Frankfurter Hof abreißen lassen. Einer engagierten Bürgerschaft war es zu verdanken, dass diese Pläne in den Schubladen verschwanden, das Gebäude wurde stattdessen saniert. Am 10. März 1991 wurde der Frankfurter Hof wiedereröffnet und das Team um Ludwig Jantzer begann am Ruf eines außerordentlichen kulturellen Veranstaltungsortes zu arbeiten. Im September 2019 übernahm Verena Campailla-Heinz, ausgebildete Veranstaltungsfachwirtin (IHK), die Programmverantwortung. Seit März 2020 gilt ein neues Corporate Desing und der Frankfurter Hof firmiert unter neuem Logo.
|Marion Diehl (SoS)