Klassik und Jazz – zwei Musikwelten. Wie gehen die zusammen? Samuel Hogarth, Kapellmeister am Mainzer Staatstheater und Jazzpianist, weiß es.
Der musikalische Werdegang von Samuel Hogarth ist als Zusammenführung seiner Interessen und Begabungen zu sehen: Klassik und Jazz. Nach seinem Studium und Magister in Musik und Musikwissenschaft (Universität Oxford) war er in der Londoner Szene als Jazz-Musiker unterwegs – u.a. in The Vortex Jazz Club und Pizza Express Jazz Club: »Jazz war einige Jahre sehr präsent in meinem musikalischen Leben«, sagt er, »dann habe ich mich wieder mehr auf klassische Musik konzentriert – den Jazz aber nicht vergessen.«
Als Dirigent und Repetitor startete der gebürtige Brite 2008 am National Opera Studio in London; 2009 –2011 war er Solorepetitor an der Oper Köln, im Anschluss Solorepetitor an der Hamburgischen Staatsoper; Hogarth hat die Kinderopern Zwerg Nase (Auftragswerk Staatsoper Hamburg) und »Rocke und die Zaubertrompet« komponiert; seit 2014 ist er Kapellmeister am Staatstheater Mainz. In dieser Funktion dirigiert Hogarth Opern- und Konzertstücke, darunter aktuell »Otello«, die Operette »Die Piraten von Penzance« sowie die Science Fiction-Oper »humanoid«. Gleichzeitig leitet er die Jazz-Reihe »Sam Hogarth invites…« in der Kakadu Bar. »So kann ich einen Traum verwirklichen, ich kann klassische und Jazzmusik auf demselben hohen Niveau präsentieren – das ist nur selten möglich«, sagt Hogarth. Nicht jede Spielstätte sehe solche Verknüpfungen als Bereicherung. Intendant Markus Müller aber ermögliche dem Ensemble, unterschiedliche Formate auszuleben. »Dafür ist die Kakadu Bar der ideale Rahmen.«
Ich fange euch auf
An einem Abend das große Orchester samt Chor und Solisten dirigieren und am nächsten Abend am Piano mit Gästen Jazzstücke improvisieren – wie geht das zusammen? »Es gibt tatsächlich viele Gemeinsamkeiten zwischen der spontanen Interaktion der Jazz-Musiker, die zu einem Klangkörper zusammenfinden und dem Dirigat einer Oper«, sagt Hogarth. »Auch als Dirigent ist meine Spontanität und meine Flexibilität gefragt, um die jeweiligen Variationen der Solisten wie der Orchestermitglieder aufzunehmen, darauf zu reagieren und in den Gesamtklang zu integrieren. Meine Aufgabe als Dirigent ist es, zu unterstützen, zu begleiten und zu signalisieren – ich fange euch auf, auch wenn ihr mich mal überrascht.« Er möchte allen die Freiheit gewähren, sich in ihrem Spiel, in ihrem Gesang entfalten zu können und sich gut aufgehoben zu fühlen, formuliert Hogarth seinen Anspruch. Bei Jazz-Konzerten erlebten die Gäste die unmittelbare Freude und Frische jeder Aufführung direkter – was bei Opern-Aufführungen »einstudiert« wirke, sei aber auch ein sich stetig neu formierender Klangkörper.
Ausdrucksvielfalt ist auffällig
Ein »Werkzeug«, das nach Ansicht von Hogarth unabdinglich ist für diese Arbeit, ist die Sprache. Seine sprachliche Ausdrucksvielfalt ist auffällig, denn Hogarth begann 2010 an der Oper Köln nahezu ohne Deutschkenntnisse zu arbeiten. »Ich habe ein Jahr lang hart gearbeitet, um Grammatik und Vokabeln zu lernen – alle meine Kollegen mussten mit mir deutsch sprechen, das war manchmal eine Tortur, wir hätten uns in Englisch viel schneller verständigen können.« Hogarth wollte mit den Musikern, den Chormitgliedern, den Solisten in der Sprache kommunizieren, die hier üblich ist: »Das hat mit Respekt zu tun, ich passe mich euch an, nicht umgekehrt – ich bin ja hier zu Gast.« Es brauche eine bildreiche Sprache, um zu erklären, wie ein Stück gespielt werden muss, damit es den Ausdruck bekommt, den Hogarth meint – »also habe ich mir die Vielseitigkeit der deutschen Sprache angeeignet – vermutlich bin ich auch ein bisschen sprachbegabt.« Untertreibung als Understatement!
| SoS