Binnen I? Doppelpunkt? Unterstrich? Gendersternchen? Alles egal? Gendern ist ein schwieriges Thema: Die Kenntlichmachung verschiedener Geschlechter in der deutschen Sprache.

Offizielle Verlautbarungen gehen unterschiedlich mit dem Thema Gendern um. Medien auch. Menschen, die viele Medien konsumieren, wissen das. Mittlerweile ist es sogar zu hören. Der Doppelpunkt oder der Gender­stern wird gesprochen – als Pause. Hört sich zuerst eigenartig an. Nach dem x-ten Mal fällt es gar nicht mehr auf.

Menschen, die der deutschen Sprache mächtig sind, die keine kognitiven Einschränkungen haben oder gar blind sind, können erfassen, was sich vor ihren Augen und in ihren Ohren abspielt. Wer sich der »Leichten Sprache« bedient oder der Braille-Schrift, hat ein Problem. Barrierefrei ist die geschlechtergerechte Sprache nicht. Weshalb z.B. Verfechter:innen der »Leichten Sprache« gendern als »Schwere Sprache« bezeichnen.

Es hat jetzt immerhin 828 Zeichen gebraucht, bis ich in diesem Artikel erstmals einen Doppelpunkt gesetzt habe. Heißt, die deutsche Sprache ist so variantenreich, dass oft auch ohne Genderformen alle Menschen angesprochen werden können. Wobei Bezeichnungen wie »Zufußgehende« die deutsche Rechtschreibung arg beugen.

Keine verbindliche Empfehlung

Bislang habe ich bei dem Versuch geschlechtergerecht zu schreiben, auf den Deutschen Rechtschreibrat geschielt. Möge er doch bitte für die geschlechtergerechte Sprache eine verbindliche Empfehlung vereinbaren. Ende März 2021 haben sich die höchsten Hüter:innen der deutschen Sprache erneut entschieden, genau das nicht zu tun.

Allen Menschen müsste mit geschlechtergerechter Sprache begegnet und sie sollten sensibel angesprochen werden. »Dies ist allerdings eine gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Aufgabe, die nicht allein mit orthografischen Regeln und Änderungen der Rechtschreibung gelöst werden kann.«

Ergo ist die Debatte fortzusetzen: Mit allen Minderheiten, die sich in der Ansprache wiederfinden sollen, mit Lehrenden, die die deutsche Sprache vermitteln müssen – auch im Ausland, mit Menschen, die auf barrierefreie Sprache angewiesen sind, mit Blinden und Hörgeschädigten, die den Doppelpunkt nicht sehen und nicht hören können, mit den Vielen, die nicht akzeptieren, dass 99 Sänger und eine Sängerin keine 100 Sänger sind. Derweil gilt es für diejenigen, die Sprache als Handwerkszeug benutzen, einen Weg zu finden. So verwendet die Stadt Mainz seit Ende März 2021 in ihren offiziellen Verlautbarungen den Doppelpunkt. Anstatt »Mainzerinnen und Mainzer« heißt es jetzt »Mainzer:innen«. Entschieden habe das der Oberbürgermeister, sagt Eva Weickart.

»FAIRständliche Verwaltungssprache«

Die Leiterin des Mainzer Frauenbüros und ihre Kolleginnen beschäftigen sich seit vielen Jahren mit geschlechtergerechter Sprache. Unter anderem haben sie einen umfangreichen Leitfaden für die »FAIRständliche Verwaltungssprache« erarbeitet. Er enthält viele Anregungen, um den oft umständlichen und abgehobenen Verwaltungssprech so zu entrümpeln, dass die Bürger:innen verstehen, was ihnen mitgeteilt wird. Gemeinsam mit der Koordinierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen haben Weickart und Kolleginnen dem Doppelpunkt in der Mainzer Verwaltungssprache zum Durchbruch verholfen. Vorerst!

Denn der Anspruch, sich als Verwaltung einer barrierefreien Sprache zu bedienen, der bleibt bestehen. Nur, wie beides, geschlechtergerecht und barrierefrei unter einen Hut zu bringen sind, daran ist noch zu arbeiten. Andere öffentliche Institutionen hand­haben die geschlechtergerechte Sprache anders. Manche umschiffen das Gendern durch Satzumstellungen (was Zeit kostet), andere verwenden konsequent die männliche und die weibliche Form (was Texte lang macht) und es findet sich immer noch die Haltung, wir verwenden die männliche Form und meinen Frauen mit. Offensichtlich braucht es noch einen langen Atem bis eine geschlechtergerechte Ansprache gefunden ist, die alle einbezieht und alle verwenden können.

| SoS

 

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