Er wollte nie etwas WERDEN, auch kein Künstler. Stefan Brand wollte immer etwas SEIN und ist Aktionskünstler.Es hat sich so ergeben.

Aufgewachsen ist Stefan Brand in Langenlonsheim, in Mainz lebt er seit 2000. Fast hätte er eine juristische Laufbahn eingeschlagen. Bis zum ersten Staatsexamen zog der heute 51-Jährige das Jura-Studium durch. Dann hat er den »Umweg«, wie er es nennt, beendet. Er wollte, was er in seiner Studienzeit »nebenbei« gemacht hatte, zur Hauptbeschäftigung machen: Arbeiten mit Worten und Texten, mit Tönen und Klängen, interdisziplinär, Genreübergreifend, im Austausch mit anderen.

Herauskommen ist bis heute jede Menge: experimentelle Musik, Performances, Künstlerbücher, Collagen, Video, Film, Visuelle Poesie, Readymades. Stefan Brand entwickelte sich zum »Brandstifter«. »Die Doppeldeutigkeit des Namens gefällt mir gut. Da steckt mein Familienname drin und das Wort ›stiften‹, was ja auch ›schenken‹ bedeutet: Ich schenke den Menschen meine Arbeit. Gleichzeitig wird mit ›Brandstifter‹ auch ›zündeln‹ verbunden – und ich zündele ja auch, geistig jedenfalls, ich provoziere, fordere die Menschen auf, sich auseinanderzusetzen.«

Die vermutlich bekannteste Arbeit von Stefan Brand ist seine »Asphaltbibliotheque«. Eine Arbeit, der er überall auf der Welt nachgeht. Er sammelt Schnipsel, Zettel, Papierchen, die er auf dem Boden findet, be- und verarbeitet sie zu Collagen. Angefangen hat er damit 1998. Die in New York erarbeitete »Asphaltbibliotheque NY«, vom Land Rheinland-Pfalz aufgekauft, stellte er 2010/11 in der Kunsthalle Mainz aus.

Heute findet Stefan Brand auf den Straßen anderes als damals. Die digitale Welt hinterlässt ihre Spuren auch auf dem Asphalt – weniger Papier, weniger Fotos, stattdessen Verpackungsreste, Werbemittel. Aber Stefan Brand glaubt nicht, dass er seine »Asphaltbibliotheque« eines Tages aufgeben muss, weil er keine Materialien mehr auf der Straße findet.

Kunst ist Alltag, Alltag ist Kunst

Ist er unterwegs, um seine Asphaltbibliothek zu bestücken, nimmt er dabei manchmal die Geräusche auf, oder macht aus der Suche eine performative Begehung, eine ganz bewusste Erkundung einer Stadt, indem er sie filmt. Außerdem »versingt« er die Zettel, wandelt ihre Inhalte in Liedtexte um. »Ich begreife Kunst nicht als etwas akademisches, sie ist eingebettet in meinen Alltag – in allem kann Kunst sein – das ist eine Art Empfindung.« Ergo können, während er kocht, »Koch-Zerte« entstehen, in dem er die Koch-Geräusche aufnimmt.

Das Jura-Studium, dieser »Umweg«, wirkt bis heute auf die logisch aufgebauten Kunst-Konzepte: »Ich trenne Form und Inhalt: in der Form bin ich genau, halte formale Vorgaben ein, dann kann ich im Inhalt meine Freiheit ausleben.« Denn Brandstifter zu sein ist eine Sache, von dieser Arbeit zu leben eine zweite. Zur Finanzierung des Lebens tragen auch die Stipendien bei, die ihn gleichzeitig zu einer Art Weltenbummler machen, der von New York, Chicago und Indien bis Mecklenburg-Vorpommern unterwegs ist und seine Künstler-Kontakte zurück nach Mainz in die Walpodenakademie führt.

Brandstifter ist Vorsitzender des »Mainzer Kunstverein Walpodenstraße 21 e.V.« und Kurator der Walpodenakademie – der Verein feiert in diesem Jahr sein 20- jähriges, die Akademie, in der Neubrunnenstraße ansässig, ihr Zehnjähriges.

»Ich bin gerne unterwegs, erkunde als Fremder die Umgebung, ich brauche die Öffentlichkeit, die Auseinandersetzung mit dem Publikum, es ist ein Ping-Pong-Spiel.« Das funktioniert auch als Musiker. In den 80ern spielte Stefan Brand in New Wave Bands Gitarre, seit 1999 ist er Mitglied der Darmstädter Band »The dass Sägebett« und Partner von Aaron Moore als »Wizards of Oi«.

Und der dünne Schnurrbart, ist der eine Hommage an Salvador Dali? Fehlanzeige. Im indischen Rajasthan trägt diese Gesichtsbehaarung fast jeder Mann. Stefan Brand hat den Look von dort »mitgebracht«, hegt und pflegt den Schnurrbart seit 2013.

| SoS

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