Ina Deter wollte mit ihrem Song die Suche nach den »neuen Männern« intensivieren. Wer heute zur Spraydose greift sucht nicht den »schönsten Mann im Land« sondern hat andere Motive: Etwa die Unterstützung seines Fußballclubs.

Doch wem nutzt es, wenn ein weiterer »USM«-Schriftzug an den Wänden eines Fakultätsgebäudes auf dem Uni-Campus erscheint oder auf einem weiteren Schaltkasten die Buchstaben »HKM« zu lesen sind?

Streetart, nicht zu verwechseln mit Straßenkunst die nur vorübergehend (etwa als Pflastermalerei) existent sein soll, möchte ihre Aussage – soweit erkennbar – dauerhaft transportieren und Teil der Straße und des Quartiers werden. Die Ausführenden legen daher Wert darauf, dass ihre Werke (wie etwa die in Mainz überall zu findende »traurige Maria«) manifest bleiben können und nur schwer zu entfernen sind. Betroffene Hausbesitzer sind meist nicht informiert und werden auch nicht um Erlaubnis gefragt. Die Akteure verstoßen daher bei der Ausübung ihrer Kunst gegen verschiedene Gesetze. (Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch)

Aktivisten und Mitläufer

Wesentlich weniger Sympathisanten als die »traurige Maria« haben die – meist gesprayten – Graffiti, die vermuten lassen, dass ihre Verursacher aus den Reihen bestimmter organisierter Fußballfans rund um den Bundesligisten 1. FSV Mainz 05 stammen. Sie sind keine Mainzer Besonderheit, sondern eine moderne Begleiterscheinung des Sportgeschehens und keineswegs auf den Fußball beschränkt. Diese Werke sind den amerikanischen Ganggraffiti ähnlich, die schon in den 1930er Jahren von Straßengangs benutzt wurden um ihren »Bereich« zu kennzeichnen: subkulturelle Grenz- und Hoheitszeichen. Sie sind dabei so komplex, dass sie von Außenstehenden kaum, aber auch von Insidern nicht immer eindeutig identifiziert beziehungsweise dechiffriert werden können. Letztendlich ist es aber nicht einmal klar, ob »FSV«-Schriftzüge und -Tags wirklich von Fans des FSV Mainz 05 gesprayt werden und dass sich hinter einem »USM« immer ein Mitglied der Mainzer Ultras beziehungsweise der Ultraszene Mainz verbirgt. Warum sollten diese etwa Hinweistafeln rund um die Arena bis zur Unlesbarkeit verunstalten?

Ignorieren oder Übermalen?

Die betroffenen Hausbesitzer stehen – ebenso wie die Besitzer öffentlicher Gebäude – vor einer Reihe von Fragen: Soll man die Graffiti beseitigen – und wenn ja: Wie? Hat es überhaupt Zweck, gegen die anonymen Sprayer rechtlich vorzugehen? Und: Wer bezahlt letztendlich den aufgekommenen Schaden und dessen Beseitigung– wen kann man haftbar machen?

Die letzte Frage ist am einfachsten zu beantworten: Rechtlich gesehen kann nur derjenige zur Verantwortung gezogen werden der eindeutig überführt und verurteilt wurde – und nicht etwa der Verein.

Bei der Frage, ob man Graffiti überhaupt und überall beseitigen soll, ist man sich nicht einig. Ist der Schriftzug an einer markanten Stelle für viel Geld beseitigt, taucht er einige Tage später oft schon wieder auf – dann allerdings meist weniger schön.

Es kann eine recht teure Spirale entstehen. Das »Sprayen« rechtlich gesehen kein Kavaliersdelikt ist, wird spätestens dann deutlich, wenn man die Beseitigungskosten auflistet. Diese sind natürlich von der Größe des Objekts und dem Untergrund abhängig. Günstiger wird es, wenn die Mauern bereits vorab mit einem – nicht gerade billigen – Mittel imprägniert wurden. Am Mainzer Hauptfriedhof wurde mit viel Erfolg ein anderer Weg gegangen: Die in der Vergangenheit oft verunstaltete Wand zur Saarstraße hin wurde von einem Künstler mit historischen, dem Friedhof angemessenen, Motiven gestaltet. Da es unter Sprayern einen Ehrenkodex gibt – an den sich die meisten auch halten – werden diese Bildnisse nicht übersprayt.

Ein zentraler Bereich für Graffitiaktivisten ist nach wie vor der Campus. Hier treffen Fußballfans (»Für immer Lukas«), und politisch engagierte Personen (»Haus Mainusch muss bleiben!«) aufeinander und schaffen auf Abrisshäusern wir Fakultätsgebäuden großflächige Bemalungen. Wie die Unileitung in verschiedenen Stellungnahmen betonte, ist eine sofortige Beseitigung aller Graffiti zu teuer. Man setzt hier oft auf bevorstehende Abrisss- und Renovierungsarbeiten.

Stadtweites Konzept

»Graffiti an unzulässigen Orten, die nicht als legale Flächen ausgewiesen sind, bleiben im Stadtbild ein großes Ärgernis«, sagt Oberbürgermeister Michael Ebling auf unsere Nachfrage hin. »Ich habe deshalb im vergangenen Jahr die Kolleginnen und Kollegen der zuständigen städtischen Stellen beauftragt ein Konzept zur Beseitigung illegaler Farbschmierereien zu erarbeiten, welches auch eine zentrale Meldeeinrichtung, zum Beispiel eine Graffiti-Hotline, und die Einrichtung eines Fonds, aus dessen Mitteln die Verunreinigungen im Stadtbild entfernt werden könnten, vorsieht. Ziel ist es, ein stadtweites Konzept zu erarbeiten, bei dem auch Partner, wie zum Beispiel Mainz 05 und die Polizei, eingebunden sind. Das Konzept soll Maßnahmen zur Prävention und Beseitigung des Graffitiproblems beinhalten. Mein Ziel ist es, dass solche Farbschmierereien schnellstmöglich aus dem Stadtbild entfernt werden.«

Auch von Seiten des Citymanagements gibt es Initiativen: so z.B. die »Projektgruppe Graffiti«, die aus der Arbeitsgruppe »Erlebnisraum Innenstadt«, die sich im Rahmen des Zukunfts-Workshops des Vereins Mainz Citymanagement gegründet hat, hervorgegangen ist. Der Citymanager setzt dabei vor allem auf den Dialog mit Innenstadtakteuren und Bürgern.

Kommunikation und Freiflächen

Mainz 05, so der Vorsitzende Stefan Hofmann, »hat grundsätzlich wenig Einfluss auf das Fehlverhalten einzelner Personen aus dem Umfeld des Vereins hinsichtlich von Schmierereien in der Stadt. Wir stehen über unsere Fanbeauftragten und gemeinsam mit dem Fanprojekt im regelmäßigen Austausch mit der Fanszene, um möglichem Fehlverhalten von Personen aus diesem Personenkreis kommunikativ entgegenzuwirken.«

Gute Erfahrungen wurden mit der Bereitstellung von Flächen für legale Graffitis im Umkreis der OPEL ARENA gemacht. »Wir haben«, so der Vorsitzende weiter, »darüber hinaus auf Anfrage der Stadt unsere Bereitschaft signalisiert, als Teil der Stadtgemeinschaft einen Beitrag zur Verbesserung der Situation zu leisten, sehen uns hier allerdings nicht in der Verantwortung oder Haftung für das Fehlverhalten Einzelner. Graffitis in der Stadt sind zudem nicht nur auf eine bestimmte Gruppierung zurückzuführen.«

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