Die Kommunalwahl in Rheinland-Pfalz findet zeitgleich mit der Europawahl am 26. Mai 2019 statt. In der März-, der April- und der Mai-Ausgabe befragt DER MAINZER die Mainzer Kandidatinnen und Kandidaten.

Wir beginnen mit dem Thema Bürgerbeteiligung. Seit Oktober 2018 moderiert die Bonner »Stiftung Mitarbeit« eine Arbeitsgruppe, die Leitlinien für die Bürgerbeteiligung in Mainz erarbeiten soll. Grundlage ist ein Stadtratsbeschluss vom 13. Juni 2018. Die 24-köpfige Arbeitsgruppe ist paritätisch besetzt und besteht aus Mitgliedern der Verwaltung, des Stadtrats und der Bürgerschaft. Das Konzept dieses trialogisch angelegten Entwicklungsprozesses wurde im November 2018 in einer öffentlichen Veranstaltung vorgestellt. Die Projektleitung der »AG Leitlinien« liegt bei der Stabsstelle Arbeitsmarktförderung und Bürgerbeteiligung unter Horst Maus.

Eine Vielzahl von Kommunen in Deutschland haben bereits in partizipativen Prozessen ein Regelwerk erarbeitet, nachdem sie die Beteiligungsprozesse in ihrer Kommune organisieren: Wiesbaden, Darmstadt, Erfurt, Berlin, Stuttgart, Köln u.a.. Ziel ist, eine verlässliche Grundlage für die Zusammenarbeit von Bürger/-innen, Gemeinderäten und Verwaltung. Verwaltung und Politik schaffen einen rechtssicheren Rahmen, in dem Beteiligungsprozesse organisiert werden können. Bürger/-innen sollen dauerhaft eine Stimme bekommen und die Gewissheit haben, dass Bürgerbeteiligung regelmäßig in all den Prozessen praktiziert wird, die den Bürger/-innen wichtig sind (Quelle: Hanns-Jörg Sippel, Stiftung Mitarbeit, Vortrag »Der Mainzer Weg zur Entwicklung von Leitlinien Bürgerbeteiligung«, 20.11.18).

Erste Ergebnisse der AG Leitlinien sollen voraussichtlich Ende 2019 vorliegen und werden von der bis dahin gewählten politischen Mehrheit als verbindliches Regelwerk verabschiedet. Vor diesem Hintergrund fragte DER MAINZER die Parteien, die zur Kommunalwahl 2019 ihre Kandidatenlisten bis Anfang Febraur aufgestellt hatten: »Wie stellt sich Ihre Partei die Einbindung von Bürger/-innen in politische Entscheidungsprozesse in Mainz vor?« Mündlich oder schriftlich haben acht Parteien geantwortet: CDU, SPD, GRÜNE, FDP, Linke, ÖDP, FWG sowie die nicht im Stadtrat vertretene AFD.

Sabine Flegel, CDU

»Die Bevölkerung hat das Gefühl, dass über ihre Köpfe hinweg entschieden wird«

Sabine Flegel, CDU

Sabine Flegel, CDU

Sabine Flegel, CDU, Stadtratsmitglied und Vorsitzende CDU-Kreisverband Mainz

»Die Bürgerbeteiligungsverfahren der Stadt sind oftmals eine reine Alibiveranstaltung. Die Bürger/-innen werden häufig erst eingebunden, wenn sich die Stadtspitze mit der Ampelkoalition auf eine bestimmte Variante geeinigt hat. Werden dann Personen aus der Bürgerschaft doch mal frühzeitig eingebunden, lässt man kritische Stimmen bewusst außen vor. Egal ob Bibelturm, Citybahn oder Schiffsanlegestelle, es gab eine Vielzahl von Negativbeispielen.

Wir als CDU wollen ALLE Bürger/-innen von Anfang an mitnehmen und beteiligen. Wichtige Projekte lassen sich nur MIT und niemals GEGEN die Menschen durchsetzen. Wir wollen die Mainzer/-innen zu Beginn eines Projekts einbinden, sie umfassend informieren und ihre Anliegen, Sorgen, Wünsche und Ideen im weiteren Prozess berücksichtigen. Ein Grundsatzbeschluss des Stadtrats darf erst am Ende dieses Prozesses erfolgen. Nur auf diese Weise wird es gelingen, Politik für die Menschen wieder nahbar zu machen.

Johannes Klomann, SPD

»Bürgerbeteiligung ist ein langer Lernprozess für alle Beteiligten«

Johannes Klomann, SPD

Johannes Klomann, SPD

Johannes Klomann, SPD, Landtagsabgeordneter, Stadtratsmitglied, Ortsvorsteher Neustadt, Mitglied in der Arbeitsgruppe zur Entwicklung der Leitlinien für die Bürgerbeteiligung in Mainz

Klomann befürwortet einerseits, die nonformale Bürgerbeteiligung fortzusetzen: »In Bürgerforen in den Stadtteilen kommen Bürger/-innen zusammen, tauschen sich zu den Themen aus, die sie in ihrem direkten Lebensumfeld betreffen. Solche Foren sind wichtig, damit die Politik erfährt, was die Menschen bewegt, was sie verändern möchten, was sie stört.«

Darüber hinaus müssten Regularien ausgehandelt und vereinbart werden, die eine formale Einbindung der Bürger/-innen ermöglichen. Z.B. sei zu klären, wie die Stadtverwaltung die Bürger/-innen frühzeitig einbinden muss, wann welche Informationen über welche Kanäle verbreitet werden sollen. »Ziel ist, dass Entscheidungen in der Sache noch besser werden und für alle nachvollziehbar sind. »

Brian Huck, Bündnis 90/Die Grünen

Bessere Planung durch intensive Beteiligungsprozesse

Brian Huck, Bündnis 90/Die Grünen

Brian Huck, Bündnis 90/Die Grünen

Brian Huck, Bündnis 90/Die Grünen, Ortsvorsteher Altstadt, Stadtratsmitglied, Mitglied in der Arbeitsgruppe zur Entwicklung der Leitlinien für die Bürgerbeteiligung in Mainz

»Wir stehen schon immer der Bürgerbeteiligung positiv gegenüber und sehen darin keine Schwächung der Gremien, sondern eine Stärkung der Demokratie, von der auch die Verwaltung profitiert. So hat bei der Erneuerung der Großen Langgasse ein intensiver Beteiligungsprozess zu besseren Planungen und damit zu mehr Akzeptanz im Umfeld geführt.

Die Abstimmung über den Bibelturm hat gezeigt, dass es nicht ausreicht, ein Vorhaben geräusch­los durch die Gremien zu bringen und erst nach der Beschlussfassung durch den Stadtrat, der Öffentlichkeit zu erklären. Die Beteiligung soll stattfinden, noch bevor die Stadt Ideenwettbewerbe ausruft und Vorgaben für die Planungsentwürfe macht. So kann die Akzeptanz von Vorhaben frühzeitig erkannt werden, um nicht durch Bürgerentscheide verworfen zu werden. Wir haben im Stadtrat mitgewirkt, dass eine Kommission eingesetzt wird, um Leitlinien für die Bürgerbeteiligung zu entwickeln und hoffen, dass die zu guten Ergebnissen führen wird.«

David Dietz, FDP

Instrumente der direkten Demokratie ausprobieren

David Dietz, FDP

David Dietz, FDP

David Dietz, FDP, Kreisvorsitzender der FDP, Spitzenkandidat bei der Kommunalwahl 2019 für den Stadtrat Mainz

»Für uns lebt die liberale Demokratie von engagierten Bürger/-innen, die mitbestimmen können. Selbstbestimmung in allen Lebenslagen heißt demokratische Mitbestimmung unterhalb der repräsentativen Demokratie. Wir wollen engagierte und mutige Bürger/-innen, die jenseits der Teilnahme an Wahlen Verantwortung übernehmen. Wir stärken die liberale Demokratie als Lebensform, indem wir ehrenamtliches und bürgerschaftliches Engagement, den punktuellen Einsatz professionell moderierter Bürgerbeteiligung sowie den probeweisen Ausbau von Instrumenten der direkten Demokratie auf kommunaler Ebene unterstützen. In Mainz haben wir bereits verschiedene Formate erprobt und wollen dies weiterhin tun. Davon unberührt bleibt, dass gewählte Ratsmitglieder schlussendlich politische Entscheidungen fällen müssen. Die repräsentative Demokratie wollen wir weder aushöhlen, noch abschaffen. Wir wollen sie stärken, indem wir sie um Formate direkter Bürgerbeteiligung ergänzen.«

Tupac Orellana, DIE LINKE

Alle müssen sich beteiligen können!

Tupac Orellana, DIE LINKE

Tupac Orellana, DIE LINKE

Tupac Orellana, DIE LINKE, Spitzenkandidat bei der Kommunalwahl 2019 für den Stadtrat Mainz

»Wir haben in Mainz das Problem einer Schichten-Politik, Menschen mit geringem Einkommen kommen kaum vor. Es beteiligen sich oftmals nur Bürger/-innen aus der etablierten Politik-Szene, solche die bereits politisch aktiv sind, die es sich auch zeitlich und finanziell leisten können. Der Politik muss es aber auch gelingen, die anderen zu erreichen, wir müssen sicherstellen, dass sich alle beteiligen können.« Dazu, so Orellana, bedarf es auch neuer Kommunikationsformen: »Die Stadt muss offensiver auf die Bürger/-innen zugehen, proaktiv. Infos müssen frühzeitig und so bereitgestellt und aufbereitet werden, dass sie niedrigschwellig, für alle nicht nur auffindbar, sondern verständlich sind.« Das Gebot der Transparenz beinhaltet aus Sicht der LINKEN, alle anstehenden Vorhaben frühzeitig zu veröffentlichen – auch die Vorhaben der stadtnahen Unternehmen. »Es kann nicht sein, dass eine AG oder eine GmbH, deren Kapital in Bürgerhand ist, sich weigert über ihre Projekte Auskunft zu geben.«

Erwin Stufler, FW-G

Workshops zur Bürgerbeteiligung

Erwin Stufler, FW-G

Erwin Stufler, FW-G

Erwin Stufler, FW-G, Stadtratskandidat, Ortsvorsteherkandidat Oberstadt

„Für die FREIEN WÄHLER treten mit mir und Gregor Knapp zwei Spitzenkandidaten an, die viel Erfahrung in der erfolgreichen Arbeit von Bürgerinitiativen gegen Fluglärm und Bibelturm mitbringen. Zentrale Voraussetzung für Bürgerbeteiligung sind Leitlinien. Und diese müssen überschaubar sein. Aber selbst die besten Leitlinien lösen nicht das Grundproblem, dass sich Bürger in Planungsprozessen oft erst spät einschalten (Beteiligungsparadoxon). Wir laden Bürger aktiv ein – an Ständen oder zum Markfrühstück – und führen sie an die Methoden heran. Und wir planen auch Workshops. Dort fungieren erfahrene Bürger als Multiplikatoren, die z.B. in Bürgerinitiativen oder Fördervereinen tätig waren oder sind. Natürlich gehört auch eine moderne Online-Plattform zu diesem Werkzeugkasten im Sinne einfacher Zugangswege und schneller Koordination.“

Thomas Mann, ÖDP

Online-Voting für die Bürgerschaft

Thomas Mann, ÖDP

Thomas Mann, ÖDP

Thomas Mann, ÖDP-Stadtratskandidat, Mitglied in der Arbeitsgruppe zur Entwicklung der Leitlinien für die Bürgerbeteiligung in Mainz

„Der Bürgerbeteiligungsprozess zu Projekten muss in den Leitlinien für Bürgerbeteiligung geregelt werden, darf aber einen politischen Wettstreit nicht ersetzen. Grundvoraussetzung ist eine frühzeitige Information durch eine Projektliste, die voll umfänglich und leicht zugänglich für mehr Transparenz sorgt. Beteiligungskonzepte über alle Projektphasen hinweg und das Kommunizieren von Ergebnissen sind für ein breites Meinungsbild erforderlich. Im Anschluss sollte die Möglichkeit eines Online-Votings der Bürgerschaft vorgesehen werden, um so dem Stadtrat als Entscheidungshilfe zu dienen. Nach dem Bürgerbeteiligungsverfahren mit klarem Stadtratsbeschluss muss informiert werden, um so die Möglichkeiten für einen Bürgerentscheid sicherzustellen. Die Leitlinien sollen einen Bürgerentscheid nicht ersetzten. Transparenz und vor allem Kommunikation in die Bürgerschaft und eben auch in die Bürgerinitiativen hinein sind für diesen Prozess enorm wichtig.“

Lothar Mehlhose, AFD

Hürden senken

Lothar Mehlhose, AFD

Lothar Mehlhose, AFD

Lothar Mehlhose, Stellvertretender Vorsitzender AfD Kreisverband Mainz, Stadtratskandidat

„Für die AfD ist die stärkere Einbindung der Bürger in politische Entscheidungsprozesse von Beginn an eine Kernforderung. Wie wichtig und richtig solch eine Einbindung ist, zeigte der Bürgerentscheid zum Bibelturm. Mit einer deutlichen Mehrheit wurde dieser von den Bürgern der Stadt Mainz abgelehnt und somit ein Vorbeiregieren an den Bürgern verhindert.

Die Erweiterung der Möglichkeiten zur Durchführung von Bürgerentscheiden 2010 war ein erster Schritt in die richtige Richtung. Diesen Weg gilt es weiterzugehen. Die AfD fordert die Möglichkeit von Bürgerentscheiden auch bei Bauleitplänen und Vorhaben, die ein Planfeststellungsverfahren vorsehen. Den Bürgern muss hier eine Möglichkeit der Mitentscheidung gegeben werden. Im gleichen Schritt müssen die Hürden für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide gesenkt und die Befugnisse der Ortsbeiräte ausgebaut werden. Dies entlastet den Stadtrat und fördert die Beteiligung in den Gremien vor Ort.“

 

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