Im Herbst wird Finanzdezernent Günter Beck seinen vierten Haushalts-Entwurf in den Stadtrat einbringen. Ausgeglichen soll der Etat sein, so sein Ziel. Und wer trägt den Schuldenberg ab?

Seit vielen Jahren hören die Mainzer/-innen diesen Satz: »Das kann sich die Stadt nicht leisten«. Ausbau des Radwegenetzes, Förderung des ÖPNV, Unterstützung für kulturelle Einrichtungen, Finanzierung der Weihnachtsbeleuchtung … , was im Etat unter »Freiwillige Leistungen« aufgeführt ist, steht unter Finanzvorbehalt. Auch bei den Investitionen prüft die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion die Notwendigkeit. Hintergrund ist der Mainzer Schuldenberg: 1,2 Mrd. Euro. Mit Blick auf den Etat 2019/2020, den der Finanzdezernent im Herbst in den Mainzer Stadtrat einbringen wird, sprach DER MAINZER mit Günter Beck u.a. darüber, ob die Stadt Mainz ihren Schuldenberg abtragen kann.

Herr Beck, jeder Etat der Stadt Mainz muss von der ADD genehmigt werden. Macht es Freude, einen Etat immer unter Vorbehalt zusammenzustellen?

»Grundsätzlich prüft die ADD jeden Etat von Kommunen in Rheinland-Pfalz. Allerdings ist bei hoch verschuldeten Kommunen wie Mainz die Genehmigung von einer ‚Haushaltsverfügung’ begleitet: In der steht pauschal drin, um welchen Betrag der Etat nachgebessert werden muss. Die Umsetzung bleibt dann der Stadt Mainz überlassen. Von Freude kann hier keine Rede sein, für Mainz bleibt es dabei: Große Sprünge sind nicht drin!«

Gibt es substanzielle Änderungen zwischen dem ersten Etat, den Sie erarbeitet haben und dem für 2019/20?

»Als ich 2010 mein Amt antrat, haben wir mit der ADD noch über die Auswirkungen des Rettungsschirms für die Wohnbau in Höhe von 80 Mio. Euro verhandeln müssen – da waren erst einmal viele vertrauensbildende Maßnahmen gegenüber allen Finanzaufsichtsbehörden nötig, um klar zu machen, wir machen das anders, wir setzen auf eine solide Finanzpolitik. Dass uns die Kehrtwende gelungen ist, ist am Haushaltsdefizit zu sehen: Von 1992 bis 2009 betrug es im Durchschnitt 36 Mio. Euro, seit meinem Amtsantritt beträgt es im Durchschnitt 5,9 Mio. Euro.«

Beck und Mossel

Sie können die 1,2 Mrd. Euro Schulden der Stadt Mainz leider nicht wegzaubern: Finanzdezernent Günter Beck (l.) und (der frischgebackene) Amtsleiter Stefan Mossel.

Spricht Günter Beck, von »substanziellen Änderungen« seit seinem Amtsantritt verweist er auf die Reduzierung des Investitionsvolumens durch Einstellung der Planungskosten, anstelle der gesamten Investitionskosten; er erwähnt die Aufhebung von Mahnsperren und erläutert das »Schuldenmanagement«. Hier sei in den letzten Jahren ein zweistelliger Millionenbetrag zusammen gekommen, weil sich ein Mitarbeiter intensiv damit beschäftigt, wann welche Kredite zu welchen Bedingungen aufgenommen werden. Außerdem habe die Stadt Anleihen im Wert von 500 Mio. Euro herausgegeben und so die Basis der Kreditfinanzierung ver­breitert.

Kommt die Stadt Mainz jemals von Ihrem Schuldenberg herunter?

»Ohne Programme zur Altschuldentilgung oder einem Schuldenschnitt wird es nicht gelingen, den Schuldenberg abzubauen! Sowohl auf Bundes- wie auf Landesebene muss diskutiert werden, wie den verschuldeten Kommunen geholfen werden kann – das Land kann das alleine nicht – und in Berlin beschäftigt man sich ja mit anderem… Wir bräuchten weitere Programme wie den Kommunalen Entschuldungsfonds KEF des Landes. Wobei die Stadt zu solchen Programmen immer einen Eigenbeitrag leisten muss, ein Drittel der Entlastungsmaßnahmen muss die Stadt beisteuern. Wir haben z.B. die Grundsteuer B erhöht, Dienstleistungen in der Stadtbibliothek reduziert, die Brunnenspenden eingeführt, etc.,. Auch bei dem KI 3.0, mit dem der Bund Investitionen in die Schulinfrastruktur fördert, muss die Kommune ihren Beitrag leisten. Immerhin bekommen wir so aber 23 Mio. Euro für dringend benötigte Investitionen dazu.

Was aber bleibt uns anderes übrig, als den Schuldenberg zu akzeptieren? Wir müssen handlungsfähig bleiben, um kommunale Aufgaben und Investitionen leisten zu können! Wir haben es geschafft, nicht nur den Abbau des Eigenkapitals zu bremsen, im Gegenteil, wir konnten unser Eigenkapital-Niveau halten, das ist schon viel wert. Sonst könnte die Stadt überhaupt keine Förderprogramme mehr in Anspruch nehmen, denn die sehen immer einen Eigenanteil vor – z.B. aktuell der Masterplan M3 Green City: es ist in Mainz politisch gewollt, das Dieselfahrverbot zu verhindern, das kann gelingen, wenn die Maßnahmen im M3 umgesetzt werden; dazu gibt es seitens der Bundesregierung Fördergelder – die aber gegenfinanziert werden müssen. Hier, wie bei anderen solcher Förderprogramme wäre es übrigens hilfreich, wenn die ausufernden Überprüfungs- und Kontrollvorgänge durch die Landesbehörden reduziert würden …«

Was bringt es den Finanzen der Stadt, dass die Stadtholding, die »Zentrale Beteiligungsgesellschaft Mainz« allmählich wächst?

»Eine solche Holding bietet Synergieeffekte, in dem z.B. Dienstleistungen wie Buchhaltung, juristische Beratung, Marketing von allen beteiligten Unternehmen in Anspruch genommen werden können. Diese werden steigen, wenn die 24,9 % der Wohnbau-Anteile von der Stadt Mainz in die ZBM überführt sind. Eine solche Stadtholding hat den Vorteil, dass Stadttöchter wie die Stadtwerke AG, die Gewinne abwerfen, gemeinsam mit Stadttöchtern, die Verluste schreiben in der ZBM organisiert sind, so lassen sich Steuern sparen. Wir haben Mainz Plus Citymarketing, die Frankfurter Hof GmbH sowie die Touristikzentrale als ‚Zuschussempfänger’ aus dem städtischen Etat in die ZBM überführt. Das heißt, diese defizitären Stadttöchter belasten nicht mehr den Etat der Stadt. Die Entlastung für den Etat der Stadt Mainz durch die Überführung von Mainzplus Citymarketing, Frankfurter Hof und Touristik Centrale Mainz in die ZBM beträgt jährlich 2.476.000 €. Der Ausgleich innerhalb der ZBM für die Mainzplus Citymarketing, in der diese Gesellschaften aufgegangen sind, betrug für das Jahr 2016 (für 2017 liegt noch kein geprüfter Jahresabschluss vor) 1.867.000 €. Unter dem Strich bleibt also eine Entlastung von ca. 600.000 Euro jährlich. Ein weiterer Effekt für den Stadt-Etat ist, dass die ZBM-Töchter jährlich 2,5 Mio. Euro brutto an die Stadt ausschütten. Die Ausschüttungen erhöhen sich mit Einbringung der Wohnbau-Anteile ab 2021 – hier wird noch diskutiert, ob die Wohnbau direkt an die Stadt oder an die ZBM ausschütten muss – wobei ich eines klar stellen will: die Wohnbau zahlt auch die 80 Mio. Euro für den Rettungsschirm von 2010 zurück, 4,3 Mio. Euro pro Jahr sind veranschlagt. Auch andere Beteiligungen außerhalb der ZBM wie die KDZ und die Sparkasse schütten übrigens seit einigen Jahren an den städtischen Etat aus.«

Warum sind Projekte, wie die Erweiterung des Gutenberg Museums, die touristenwirksame Präsentation des römischen Erbes oder der Ausbau des Radwegenetzes nicht finanzierbar?

»Das Budget reicht einfach nicht für alles. Wenn ich als Familienvater unser Haus renovieren, einen Urlaub finanzieren und in die Ausbildung unserer Tochter investieren will, dabei aber feststelle, unser Einkommen reicht nicht für alles, dann muss ich Prioritäten setzen und Maßnahmen verschieben. Mainz will das Rathaus, die Rheingoldhalle und das Schloss sanieren, neue Schulen und Kitas bauen, dazu noch alle Aufgaben bezahlen, die nun mal städtische Aufgaben sind – wo soll denn das Geld herkommen, um dann noch das Gutenberg Museum zu erweitern, das Radwegenetz auszubauen? Im Rahmen des Machbaren versuchen wir in allen Bereichen den Forderungen gerecht zu werden. Aber das geht – angesichts der Haushaltslage – nur in kleinen Schritten.«

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