Regeln, auch für den Straßenverkehr sind außer Mode. Verkehrsschilder stehen zu Dekorationszwecken an den Straßen und Plätzen. Hilft wirklich nur noch achselzuckende Beliebigkeit?

Die Frau auf dem Rad vor mir bremst und steigt ab. Das Rad schiebend überquert sie den Fußgängerüberweg. Alle Achtung, denke ich mir und spreche sie an. Ich möchte wissen, warum sie sich so verhält. Sie sei von einer Polizeistreife angehalten worden, als sie kürzlich einen Fußgängerüberweg radelnd querte und dabei Autofahrer »zwang«, anzuhalten, erzählt sie. Die Polizisten hätten ihr erklärt, sie müsste jetzt eigentlich ein Bußgeld zahlen. Würde es zu einem Unfall kommen, wenn sie auf dem Rad sitzend den Fußgängerüberweg quert, wäre sie automatisch mitschuldig. Die Frau, dem Anschein nach um die 50 Jahre alt, meinte, diese Ansprache der Polizisten habe sie beeindruckt. Dass sie damit zu einer Minderheit gehört, ist mir bewusst.

Die Frau im Auto lässt gnädig die Seitenscheibe herunter. »Wissen Sie, dass Sie hier nicht durchfahren dürfen«, frage ich Sie. Ihr Auto steht kurz vor dem Verkehrsschild, das ausschließlich Bussen und Taxen die Benutzung des Straßenabschnitts am Höfchen erlaubt (siehe auch die Titelgeschichte auf S.6/7). »Ich weiß, was ich darf«, sprach die Frau, fuhr widerrechtlich durch die Bushaltestelle, um ihr Auto widerrechtlich am Eingang der Fußgängerzone Schusterstraße abzustellen und sich ein Fischbrötchen kaufen zu gehen. Ich habe mir in diesem Moment sehr Polizisten gewünscht, die der etwa 60-70-Jährigen erklären, was sie wirklich »darf«.

Ich kann es nicht lassen. Immer wieder versuche ich herauszufinden, ob denjenigen, die Regeln offensichtlich missachten, bewusst ist, was sie tun. Nicht beugen will ich mich der verbreiteten Auffassung, wir würden immer egoistischer, hätten nur noch unser eigenes und eventuell noch das Wohlergehen unserer Familie im Sinn. Ebenso wenig dieses Achselzucken von so vielen: »Kann man eh nichts machen«, »ist halt so«, »musst Du drüber hinwegsehen«. Diese Beliebigkeit, die regt mich manchmal mehr auf, als die »LmaA-Haltung«, geht es um Rücksicht und Rücksichtnahme, um vorausschauendes Handeln. »Was erwarten Sie, dass wir tun sollen«, werde ich bei den Recherchen zum Thema Regelverstöße immer wieder gefragt. Als Bürgerin erwarte ich, dass der Staat dafür sorgt, die Gesetze und Verordnungen, die seine von uns gewählten Vertreter/-innen erlassen, auch durchsetzt. Oder warum bezahlen wir für die Unmengen von Verkehrsschildern?

Die Sommerferien stehen vor der Tür. Weniger Menschen werden in der Stadt unterwegs, weniger Gehupe und Geschimpfe zu hören sein. Zeit, meine Fassungslosigkeit zu rationalisieren und mit einem Polizeisprecher über den Sinn oder Unsinn von Kon­trollen und Bußgeldern zu sprechen. Das Ergebnis lesen Sie in der August-Ausgabe des MAINZERs.

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