Die Erarbeitung von Leitlinien für die Bürgerbeteiligung in Mainz findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Ist das sinnvoll? In Wiesbaden waren die Bürger/-innen eingebunden.

Seit vergangenem Jahr erarbeitet in Mainz unter Federführung der Stabsstelle Arbeitsmarktförderung und Bürgerbeteiligung eine Arbeitsgruppe »Leitlinien«, um die Beteiligung der Bürger/-innen an Entscheidungsprozessen zu organisieren. Eine verlässliche Grundlage für die Zusammenarbeit von Bürgerinnen und Bürgern, Gemeinderäten und Verwaltung ist das Ziel.

Der Prozess ist »trialogisch« organisiert: Die Arbeitsgruppe besteht aus je sechs Vertreter/-innen der Verwaltung, Politik und der Bürgerschaft. Diese Zusammensetzung führte zu Verstimmungen unter den aktiven Bürgerinitiativen in Mainz, die in den Leilinien-Prozess nicht eingebunden sind. In der AG wirkt kein/e BI-Vertreter/-in mit, ausgenommen von Thomas Mann (BI Gutenberg-Museum), der allerdings von seiner Partei ÖDP entsandt wurde.

Stillschweigen vereinbart

Die 18-köpfige Leitlinien-AG trifft sich unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Die Mitglieder der AG sind zum Stillschweigen angehalten, Diskussionen sollen nicht nach außen dringen. Unklar ist auch, ob alle Benannten überhaupt an den Treffen teilnehmen. Im November letzten Jahres gab es eine öffentliche Veranstaltung, in der das Procedere erklärt wurde. Angekündigt ist für November 2019, »Zwischenergebnisse« der AG Leitlinien öffentlich vorzustellen.

Die Öffentlichkeit, mithin diejenigen, die als Bürger/-innen durchaus ein Interesse daran haben zu erfahren, was in dieser AG diskutiert und was vereinbart wird, müssen sich auf diese Veranstaltungen und die entsprechende Berichterstattung beschränken. Es gibt in Deutschland zahlreiche Städte und Gemeinden, die ihren Leitlinien-Prozess abgeschlossen haben, die ihre Bürgerbeteiligung anhand von selbst erarbeiten Leitlinien organisieren. So auch in Wiesbaden. Dort wurden 2015 gemeinsam von Bürger/-innen, politischen Vertreter/-innen der Stadt und der Verwaltung »Leitlinien für Bürgerbeteiligung« erarbeitet und im Juli 2016 von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen.

Gabriele Kotzke von der Stabsstelle Bürgerbeteiligung hat den Aufstellungsprozess für die Leitlinien zur Bürgerbeteiligung von Anfang an mitgestaltet. Nach Abschluss des Prozesses wurde beim Oberbürgermeister die Stabsstelle »Wiesbadener Identität. Engagement. Bürgerbeteiligung.« eingerichtet, deren Aufbau Gabriele Kotzke mit einer weiteren Kollegin wesentlich gestaltet hat.

Sie fasst den 2014 begonnen Prozess wie folgt zusammen. Start war eine öffentliche Informationsveranstaltung zur Vorstellung des geplanten Prozessverlaufs; dem folgten mehrere, ebenfalls öffentliche Workshop-Veranstaltungen mit unterschiedlicher thematischer Ausrichtung. Parallel dazu fanden gesonderte Veranstaltungen für die Verwaltung und für die Politik statt, in denen über Sinn und Zwecke der Leitlinien diskutiert wurde. Verwaltungsintern wurde dazu eine ämterübergreifende Projektgruppe gebildet. Begleitet wurde der gesamte Prozess von einer Steuerungsgruppe die trialogisch besetzt war. Jeweils sechs Mitglieder aus Verwaltung, Politik und Bürgerschaft.

Öffentlichkeit einbinden

Bei der Auswahl der Bürger/-innen sei darauf geachtet worden, dass sie aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen kommen, allerdings auch bereits Erfahrungen in Mitsprache- und Beteiligungsverfahren hatten. »Es ging in diesem Prozess ja nicht um konkrete Projekte vor Ort, sondern um die Metaebene, nämlich übergeordnete Leitlinien, die wiederum für einzelne Projekte angewendet werden sollen. Für diesen Diskurs braucht es entsprechendes Wissen auch Erfahrung und wir wollten niemanden mit dieser Aufgabe überfordern.« Gabriele Kotzke ergänzt, eine Auswahl der Bürger/-innen rein nach Proporz-Prinzipien (Alter, Geschlecht, soziale Stellung, etc.) erfordere eine zusätzliche Schulung und Betreuung in Kleingruppen, um Verfahren und Abläufe zu erläutern.

Nach Ansicht von Gabriele Kotzke ist eine intensive Einbindung der Öffentlichkeit in diesen Prozess sinnvoll, weil die Leitlinien, die Regeln für die informellen Bürgerbeteiligungsverfahren, alltagstauglich sein sollen. Die Bürger/-innen sollen sie leicht verstehen können, was besser gelingt, wenn sie von Anfang an im Entwicklungsprozess mitwirken.

»In Wiesbaden hat sich die gemeinsame Erarbeitung jedenfalls bewährt, die Leitlinien werden gut angenommen und auch die Verwaltung hat sich mehr für eine neue Beteiligungskultur geöffnet«, so Gabriele Kotzke.

| SoS

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