Drei Monate im Amt: Anlass für den MAINZER mit dem Dezernenten für Soziales,
Kinder, Jugend, Schule und Gesundheit, Dr. Eckart Lensch, über Herausforderungen
und Schwerpunkte seiner Arbeit zu sprechen

 

Er habe sich einen Überblick verschafft, mit vielen Akteuren innerhalb wie außerhalb der Verwaltung gesprochen, sagt Lensch. Manches sei ungewohnt für ihn, der 30 Jahre als Mediziner gearbeitet hat. Die Tatsache, dass Besprechungen meist in größeren Gruppen stattfinden, nennt er als Beispiel. »Als Arzt kommuniziert man meist im Zwiegespräch oder in Kleingruppen, die Atmosphäre ist vertraulich. Das ist nun anders, allein die Tatsache, dass viele Menschen von verschiedenen Institutionen und Organisationen zusammenkommen, gibt den Gesprächen einen öffentlichen Charakter – und natürlich können auch Inhalte weitergegeben werden.« Das bremse durchaus die Spontanität,« bemerkt Lensch, zumal er die Erfahrung gemacht hat, dass sich Menschen und vor allem die Presse an Sätzen oder Ausdrücken festbeißen, die er meinte, nebenbei oder zur Illustration gesagt zu haben.

Viele Neubürger und neue Gesetzeslage

Der 57-Jährige war fünf Jahre lang Fraktionsvorsitzender der SPD im Mainzer Stadtrat, bevor er im Mai 2017 zum Nachfolger von Kurt Merkator gewählt wurde. Verwaltungserfahrung hat er keine, was er selbst nicht als problematisch ansieht: »Dezernent ist letztlich ein politisches Amt, die Arbeit ist vorstrukturiert«, sagt er. »Der Dezernent hat, für die Bürgerinnen und Bürger sichtbar, die Aufsicht und Kontrolle über seine Verwaltungseinheit, er trägt die politische Verantwortung.«

Wo sehen Sie als Sozialdezernent Ihren Ar­beitsschwerpunkt in den nächsten Jahren?
»Wir müssen vor allem viele junge Mainzerinnen und Mainzer versorgen«, sagt Lensch, »Kinder, Jugendliche, junge Familien. Wobei wir in Mainz auf eine sowohl in Rheinland-Pfalz als auch im Bund besondere Situation treffen: Zeitgleich mit einem Zuzug von vielen Menschen hat sich die Gesetzeslage geändert, die Familien haben Anspruch auf Kita-Plätze, die sie einfordern und gegebenenfalls auch einklagen können. Das heißt, wir müssen in Mainz in relativ kurzer Zeit viele Betreuungsplätze schaffen. Und diese übrigens unabhängig von der Aufnahme von Flüchtlingen.«

Hinzu, so Lensch, komme noch der Qualitätsanspruch: »Eltern wollen ihre Kinder nicht nur versorgt wissen, sie sollen auch gefördert werden – Stichwort: Frühkindliche Bildung, übrigens ein neues Feld kommunaler Aufgaben, das es in dieser Art bislang nicht gab, denn Bildung war und ist immer vor allem Landesaufgabe. Aber im Bereich der Kitas erleben wir gerade eine Neujustierung: die Ausbildung von Erzieher/-innen orientiert sich mehr an qualitativen Kriterien, die Kitas setzen bereits selbst unterschiedliche Schwerpunkte. Die einen berücksichtigen die Vermittlung verschiedener Sprachen in ihrem Bildungsauftrag, andere widmen sich verstärkt dem Essen als Thema, wichtig ist auch die Bemühung um Inklusion – das sind Impulse die wir auch konzeptionell aufgreifen müssen und denen wir durch eine interne Schwerpunktsetzung Rechnung tragen wollen, in dem wir das Thema Bildung als wesentliche Aufgabe des Dezernats verankern: Frühkindliche Bildung muss Querschnittsaufgabe der Stadtverwaltung werden. Dabei spielt die Bildungskoordination eine wesentliche Rolle.«

Bis 2020 müssten 20 neue städtische Kitas gebaut werden, erläutert Lensch, die Standortsuche sei nicht einfach: »Noch nie hat die Abteilung Kindertagesstätten so intensiv den Mainzer Stadtplan studiert – ständig auf der Suche nach freien Grundstücken, die möglichst nicht bereits anderweitig genutzt werden.« Solche Findungsprozesse gehen nicht immer ohne Konflikte ab, auch die Interessen von Anwohner/-innen gilt es zu berücksichtigen. Bürgerversammlungen, in denen die Anwesenden ihre Eigeninteressen formulieren, kennt Lensch aus seiner Zeit als SPD-Fraktionsvorsitzender, bzw. als Stadtratsmitglied. »Ich finde Eigeninteresse als Impuls für politisches Handeln, auch für die Mitarbeit in einer Partei legitim, aber politische Entscheidungen werden nicht zugunsten Einzelner getroffen, das müssen wir alle als Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt akzeptieren.« Die daraus resultierenden Konflikte auszuhalten, gehöre mit zu der neuen Aufgabe meint er.

Neues Gymnasium, neue IGS, Weniger Flüchtlingsunterkünfte

Neubauten seien auch im Schulbereich nötig, weist Lensch auf einen weiteren Arbeitsschwerpunkt seines Dezernats hin. Ein Gymnasium und eine IGS, letztere vermutlich am bestehenden Schulstandort in Mombach. Insgesamt aber sei die Situation im Bereich der Schulen gefestigter, überwiegend müssten bestehende Schulen saniert und erweitert werden, um die prognostizierte Zahl von Schülerinnen und Schülern in den kommenden Jahren aufnehmen zu können.

Was leistet die Stadt Mainz zur Integration der Flüchtlinge und was macht der Flüchtlingskoordinator?
»Pro Woche geht die Zahl der Flüchtlinge in den Unterkünften aktuell um 15-20 zurück«, stellt Lensch fest. »Wir haben bereits Unterkünfte geschlossen, trotz der angespannten Wohnungslage in Mainz gelingt es, Flüchtlinge in den freien Wohnungsmarkt zu vermitteln, so dass wir bis zum 31.8.2018 die Gemeinschaftsunterkunft »Wilhelm-Quetsch-Straße« in Mainz-Bretzenheim mit 65 Plätzen auflösen und drei Wohnhäuser zu je 60 Plätzen in der Gemeinschaftsunterkunft ‘Housing-Area’ in Mainz-Gonsenheim schließen können.« Der Sozialdezernent macht, was die Leistungen des Staates betrifft, grundsätzlich keine Unterschiede zwischen unterschiedlichen Gruppen: »Anerkannte Flüchtlinge werden bei der Arbeits- und Wohnungssuche so betreut und versorgt wie andere Menschen, die in Deutschland Fuß fassen wollen. Ihnen stehen dieselben Leistungen zu: Deutschunterricht, Unterstützung bei der Arbeits- und der Wohnungsvermittlung und eine finanzielle Grundsicherung. Ihre Herkunft spielt für diesen Leistungsbezug keine Rolle.«

Integrationsfähigkeit und Bildungsangebote

Eine wichtige Rolle bei der Integration sieht Lensch in der Arbeit der Schulen. »Die Stadt hat Sorge getragen, dass keine Ghetto-Bildung erfolgt, in dem Flüchtlinge über das gesamte Stadtgebiet verteilt aufgenommen wurden. Fast alle Grundschulen haben daher Flüchtlingskinder aufgenommen und gerade unsere Angebote für die Ganztagsschule zielen darauf, dass alle Kinder gut in die Gesellschaft hinein finden. Wir vertrauen auf die Integrationsfähigkeit der Menschen, die hier leben wollen und unsere Bildungsangebote.«

Der Sozialdezernent hat kaum finanziellen Spielraum für freiwillige Ausgaben – ein strukturelles Defizit, da Land und Bund soziale Leistungsansprüche auf die Kommunen übertragen, ohne die Finanzierung dieser Aufgaben sicherzustellen. Welche Möglichkeiten sieht der Mainzer Sozialdezernent, diese strukturellen Ungleichgewichte zu beseitigen?
»Die Kommune allein kann an dem strukturellen Ungleichgewicht nichts ändern. Der Anteil, der uns für die Erbringung von Aufgaben im Auftrag des Landes und Bundes nicht erstattet wird ist nach wie vor groß, aber in den letzten Jahren kleiner geworden. Auch wenn wir eine bessere Finanzausstattung hätten, ist mein Handlungsspielraum als Dezernent gering, denn die Gestaltung des Haushaltes obliegt dem Stadtrat: er bestimmt, wofür das Geld ausgebeben wird. Das Dezernat macht natürlich Vorschläge und auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der zugehörigen Ämter haben gute Ideen. Umgesetzt werden können zuletzt die vom Rat akzeptierten Pläne.«

Auf die Frage, warum Mainz nicht im Einklang mit anderen Kommunen in Rheinland-Pfalz z.B. die Erfüllung von Aufgaben verweigert, die nicht komplett gegenfinanziert sind, antwortet Dr. Lensch: »Verweigerung einer Zusammenarbeit ist keine politische Grundhaltung, mit der ich mich anfreunden kann.«
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Zur Person: Dr. Eckart Lensch

Geboren 1960 in München, Abitur in Saarbrücken, Medizin-Studium in Mainz, Facharzt für Neurologie, zuletzt als Oberarzt am Fachbereich Neurologie in der Wiesbadener DKD/Helios- Klinik; SPD-Mitglied seit 1999, sieben Jahre Mitglied im Ortsbeirat Oberstadt, seit 2009 Mitglied im Mainzer Stadtrat, drei Jahre umweltpolitsicher Sprecher, 2012-2017 Vorsitzender der SPD-Frak­tion im Mainzer Stadtrat; Mai 2017: Wahl zum Beigeordneten für Soziales, Kinder, Jugend, Schule und Gesundheit, Amtsantritt: 1. Juli 2017, Amtszeit: acht Jahre.